Bundeswehrverband warnt: Truppe ist "absolut im roten Bereich"
Der Chef des Bundeswehrverbands, André Wüstner, fordert angesichts neuer Einsätze dringend eine Aufstockung der Bundeswehr - ebenso wie der Wehrbeauftragte Bartels.
Angesichts der weltweiten Krisen fordern der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) und der Bundeswehrverband eine Aufstockung der Bundeswehr. „Die Bundeswehr ist seit 25 Jahren personell im freien Fall“, sagte Bartels in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Von fast 600.000 Soldaten nach der Wiedervereinigung ist die Bundeswehr inzwischen auf 178.000 Soldaten verkleinert worden.
Auch der Bundeswehrverband sieht die Truppe „absolut im roten Bereich“ und verlangt 5000 bis 10.000 zusätzliche Soldaten. „Das alles, was wir machen sollen, das geht mit dem jetzigen Personal und Material so nicht mehr weiter“, sagte der Vorsitzende des Verbands, André Wüstner, am Sonntag im Deutschlandfunk. Allein rund 7000 Soldaten sind derzeit für die Flüchtlingshilfe abgestellt, mehr als 3000 im Auslandseinsatz.
Der Bundeswehrverband dringt auf eine Vergrößerung der Bundeswehr noch vor der nächsten Bundestagswahl im 2017. „Das alles, was wir machen sollen, das geht mit dem jetzigen Personal und Material so nicht mehr weiter“, sagte Wüstner. Er geht davon aus, dass derzeit rund 20.000 Soldaten in Einsätzen sind oder einsatzähnliche Aufgaben übernehmen. Wüstner fordert, die Unterstützung der zuständigen Behörden für die Flüchtlingshilfe nächstes Jahr zu beenden. „Es ist nicht unsere Kernkompetenz und auch nicht unsere Kernaufgabe“, sagte er.
Im kommenden Jahr kommen mit dem Einsatz gegen den „Islamischen Staat“ in Syrien und der Ausweitung des Mali-Einsatzes weitere Auslandsmissionen hinzu. Die Nato will zudem Awacs-Aufklärungsflugzeuge zur Unterstützung der Türkei abstellen. Auch hier werden Deutsche an Bord sein.
Mali kann für deutsche Soldaten gefährlich werden
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) signalisierte mit Blick auf die aktuelle Weltlage Bereitschaft, die Ausgaben für europäische Militäreinsätze und die deutsche Entwicklungshilfe zu steigern. „Wir werden sehr viel mehr Mittel für gemeinsame europäische Verteidigungsinitiativen aufwenden müssen“, sagte Schäuble der „Bild am Sonntag“. „Den Nahen und Mittleren Osten werden wir nicht stabilisiert bekommen ohne ein stärkeres europäisches Engagement. Das Gleiche gilt für Afrika.“ Für Deutschland bedeute das, „dass wir in der Außen- und Sicherheitspolitik stärker gefordert werden, als uns vielleicht lieb ist“.
Besonders die neuen Aufgaben in Mali könnten für die deutschen Soldaten gefährlich werden. Der außenpolitische Sprecher der SPD, Niels Annen, forderte, die Bundesregierung müsse dies offen aussprechen. „Die Gefahren sind real und müssen ehrlich angesprochen werden“, sagte Annen dem Tagesspiegel.
Derzeit bilden rund 230 deutsche Pioniere malische Einheiten aus, neun weitere Soldaten sitzen im Stab der UN-Friedensmission Minusma. Bis Mitte des Jahres sollen 650 weitere Soldaten nach Mali entsandt werden. Sie sollen Lager und Gebäude der Minusma schützen und die UN bei der Aufklärung des Rebellengebiets unterstützen. Damit gerät die Bundeswehr direkt ins Visier der Islamisten.
Noch Ende November starben bei einem Raketenangriff von Rebellen auf ein Minusma-Lager zwei Soldaten und ein Zivilist. Anders als in Syrien sollen die Deutschen in Mali zudem nicht aus der Luft aufklären, sondern am Boden. Die Soldaten müssten mit einer robusten Bewaffnung ausgestattet werden, um sich bei Angriffen und Anschlägen schützen zu können, sagte Annen.