Politik: Trumps Richterkandidat kritisiert Trump
Neil Gorsuch nennt die Justizschelte des Präsidenten „demoralisierend“. Währenddessen reist CIA-Chef Pompeo auf Spezialmission in die Türkei.
Der Mann demonstriert die Unabhängigkeit, die Amerika von Obersten Richtern erwartet. Neil Gorsuch, Kandidat des US-Präsidenten Donald Trump für den vakanten Sitz am Supreme Court, hat seinen Förderer im Weißen Haus ungewöhnlich deutlich kritisiert. Dessen Angriffe auf die Richter des Landes seien „demoralisierend“ und „entmutigend“, sagte Gorsuch im Gespräch mit dem demokratischen Senator von Connecticut, Richard Blumenthal. Da ein Verfassungsrichter nur mit Zustimmung des Senats, der zweiten Kongresskammer, ernannt werden kann, stellt sich Gorsuch seit Tagen persönlich bei den Senatoren vor.
Distanz zu Trump ist hilfreich für den Kandidaten
Hintergrund sind Trumps Attacken auf Richter, die sein Einreiseverbot für Bürger aus sieben muslimischen Staaten vorerst gestoppt haben. Der Präsident hatte Einwände gegen seinen „Muslim-Bann“ als „schändlich“, „lächerlich“ und „politisch motiviert“ bewertet und Bundesrichter James Robart aus Seattle als „sogenannten Richter“ verspottet. Die Richter würden das Konzept des Einreiseverbots nicht begreifen, obwohl „selbst ein schlechter Schüler den Sinn versteht“.
Beide Vorgänge sind ungewöhnlich: die Distanzierung eines Richterkandidaten von dem Präsidenten, der ihn nominiert hat; und die unverhohlene Kritik des Präsidenten an der Justiz, die eine unabhängige dritte Säule in der Gewaltenteilung ist. Gorsuch wird dies aber nicht schaden. Vielmehr ist zu erwarten, dass seine Reaktion auf Trump es demokratischen Senatoren erleichtert, seiner Ernennung zuzustimmen. Man könnte gar ein gezieltes Manöver darin sehen, dass Gorsuchs Worte, die hinter verschlossenen Türen fielen, in die Medien kamen. Die berufen sich teils auf Senator Blumenthal, teils auf Gorsuchs Sprecher Ron Bonjean, der die Angaben bestätigte.
Mit der Entscheidung des Appellationsgerichts in San Francisco über das Einreiseverbot ist nun jederzeit zu rechnen. Es gilt als wahrscheinlich, dass dieses Berufungsurteil nicht das letzte Wort ist, sondern die unterlegene Seite den Supreme Court anruft. Die „New York Times“ zitiert Rechtsexperten, nach deren Meinung Trump mit seinem politischen Druck auf Richter das Gegenteil erreiche: Die würden nun umso mehr darauf achten, dass sie ihre Unabhängigkeit vom Weißen Haus demonstrieren.
Senat bestätigt Justizminister Sessions
Parallel macht die Regierungsbildung Fortschritte. Jeff Sessions legte am Donnerstag den Eid als Justizsenator ab, nachdem ihn der Senat am Mittwochabend mit 52 zu 47 Stimmen bestätigt hatte. Alle Republikaner stimmten für ihn, die Demokraten gegen ihn.
Der neue Direktor des Auslandsgeheimdienstes CIA, Mike Pompeo, der bereits im Januar vom Senat bestätigt worden war, reiste am Donnerstag in die Türkei. Die Beziehungen zwischen den Nato-Partnern USA und Türkei sind aus mehreren Gründen angespannt. Pompeo soll das Verhältnis verbessern. Die beiden emotionalsten Meinungsverschiedenheiten betreffen den Umgang mit dem Krieg in Syrien und mit dem Chef der Gülen-Bewegung, Fethulla Gülen. Er lebt seit 1999 in den USA, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht in ihm jedoch einen Staatsfeind und den Drahtzieher des Putschversuchs im Juli 2016 und verlangt seine Auslieferung.
CIA-Chef und Erdogan müssen sich korrigieren
Pompeo und Erdogan sind beide bemüht, frühere Aussagen vergessen zu machen. Im Juli 2016 war Pompeo noch republikanischer Abgeordneter aus Kansas und nannte Erdogans Regierung eine „totalitäre islamistische Diktatur“. Nun führt die erste Reise des 53-Jährigen als CIA-Chef in die Türkei, um die Wogen zu glätten. Das hatten Trump und Erdogan am Dienstag telefonisch vereinbart. Erdogan hatte behauptet, Gülen werde von der CIA gesteuert und die USA steckten indirekt hinter dem Putschversuch.
Auch im Fall Gülen spielt die Unabhängigkeit der Justiz eine Rolle. Präsident Obama hatte auf die Forderung, Gülen auszuliefern, geantwortet, das stehe nicht in seiner Macht; über solche Anträge entschieden in den USA unabhängige Gerichte. Die Regierung Trump dürfte sich ähnlich verhalten.
In Syrien hofft Erdogan darauf, dass die USA in ihrer Strategie zur Bekämpfung des „Islamischen Staats“ die Unterstützung der kurdischen YPG-Milizen beenden und allein auf das türkische Militär als Verbündeten setzen. Erdogan strebt offenkundig ein gutes Verhältnis zu Trump an und setzt darauf, dass autoritäre Herrschaftsformen kein Hindernis dabei sind. Er hat zum Beispiel kein negatives Wort über das Einreiseverbot für Muslime verloren, obwohl er sonst beansprucht, als Schutzherr aller Muslime zu sprechen.