Neuer Tiefschlag für das belastete Verhältnis: Trumps Plan für Teilabzug der US-Truppen verstört die Bundesregierung
Der Plan des US-Präsidenten für eine Reduzierung der US-Truppen hat die Bundesregierung überrascht. Deutsche Politiker vermuten ein Wahlkampfmanöver.
Die Antwort der Kanzlerin war gerade noch diplomatisch, aber doch deutlich genug. „Ich arbeite zusammen mit den gewählten Präsidenten auf der Welt. Und natürlich auch mit dem amerikanischen“, sagte Angela Merkel vergangene Woche in der ARD auf die Frage, ob sie noch Vertrauen in US–Präsident Donald Trump habe. Beobachter, die weniger politische Rücksicht nehmen müssen, kommentieren das deutsch-amerikanische Verhältnis weit härter. „Da darf man sich keine Illusionen machen, das Verhältnis ist gegenwärtig grottenschlecht“, urteilt etwa der Sicherheitsexperte Carlo Masala von der Bundeswehr-Universität in München.
Die neuen Pläne Trumps zum Abzug von fast einem Drittel der 34.500 in Deutschland stationierten US-Soldaten zeigen wie in einem Brennglas, woran es gegenwärtig hapert zwischen Washington und Berlin. Entscheidungen, welche die Sicherheit Deutschlands, anderer europäischer Staaten und des Nato-Bündnisses insgesamt betreffen, werden üblicherweise in enger Abstimmung beider Staaten vorbereitet. Doch die Bundesregierung war nicht eingeweiht und wurde durch Medienberichte aufgeschreckt.
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Entsprechend schmallippig fiel ihre Kommentierung aus. Die militärische Zusammenarbeit der USA und Deutschlands sei „im Interesse unserer beiden Länder“, mahnte Außenminister Heiko Maas (SPD) in der „Bild am Sonntag“. Der Chefdiplomat gab sich wenig Mühe, das Ausmaß der Differenzen zwischen beiden Regierungen klein zu reden. Das deutsch-amerikanische Verhältnis nannte er „kompliziert“.
Seit Trumps Wahl vor vier Jahren hat sich die deutsche Seite daran gewöhnen müssen, dass der US-Präsident einsame Entscheidungen trifft und sein eigenes Land durch Deutschland ständig benachteiligt sieht. Gemäß seinem Schlachtruf „America First“ gibt er lieber den Wünschen seiner isolationistischen Wähler Zucker als auf den Erfolg internationaler Absprachen zu setzen. Dass er selbst nach der Tötung des Schwarzen George Floyd durch Polizisten keinerlei Einsicht zeigt, sondern mit aggressiver Rhetorik und Symbolik die Stimmung in seinem gespaltenen Land gefährlich aufheizt, sorgt in Berlin für Entsetzen
Vor allem drei Vorwürfe hat Trump immer wieder gegen Deutschland erhoben. Wegen des Handelsüberschusses droht er mit Strafzöllen für Autoimporte aus der EU, die vor allem deutsche Hersteller treffen würden. Immer wieder attackiert er die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 und warnt, Deutschland zahle Milliarden für Gas an Russland, wolle sich im Ernstfall aber von den USA beschützen lassen - und das, obwohl es bei den Verteidigungsausgaben hinter den Nato-Verpflichtungen zurückbleibe.
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Auch hinter dem bislang offiziell nicht bestätigten Abzugsplan vermuten viele deutsche Politiker ein Wahlkampfmanöver: Fünf Monate vor der Entscheidung über den nächsten US-Präsidenten wolle Trump beweisen, dass er amerikanische Interessen durchsetzen kann. Angedroht hatte Trump einen Teilabzug schon länger und immer wieder den Bruch des Zwei-Prozent-Ziels kritisiert.
Durchaus verärgert dürfte ihn nun zusätzlich haben, dass Merkel mitteilte, sie wolle nicht an dem von ihm angesetzten erweiterten G7-Gipfel am September in den USA teilnehmen. Das "Wall Street Journal" will allerdings in Erfahrung gebracht haben, dass die Teilabzugsentscheidung des Präsidenten damit nicht zusammenhängt.
Ob Trump seinen Abzugsplan umsetzen kann, ist allerdings fraglich. General Ben Hodges, der frühere Oberbefehlshaber der US-Truppen in Europa, zumindest kann dahinter kein Konzept erkennen. Die genannten 9500 Soldaten seien „eine politische Zahl“, hinter der keine erkennbare Strategie stehe, sagte Hodges dem Tagesspiegel. Nun müssten US-Militärs „fieberhaft daran arbeiten, Vorschläge zu machen, wie man diesem Ziel näherkommt, ohne militärischen Schaden anzurichten“.
Hodges hofft, dass die Idee am Ende nicht weiterverfolgt wird, wenn sich zeigt, dass die USA sich mit dem Abzug selbst schaden. Der Ex-General verweist darauf, dass der Kongress seine Möglichkeiten nutzen kann, um Trump an einer raschen Ausführung zu hindern. Das Parlament müsse schließlich die Mittel für große Truppenverlegungen freigeben.