US-Präsident holt in Umfragen auf: Trump mobilisiert „Patrioten“ zum Kampf gegen das „Chaos“
Der Präsident definiert sich als Verteidiger von „Law an Order“ und die Demokraten als Freunde von Gewalttätern und Polizeigegnern. Mit Erfolg. Eine Analyse.
Donald Trump hat das Thema gefunden, mit dem er die Wiederwahl schaffen kann. Mit Blick auf die bürgerkriegsähnlichen Szenen in Portland (Oregon), Kenosha (Wisconsin) und in anderen Städten mit Toten nach Schießereien sowie brennenden Einkaufsstraßen und geplünderten Geschäfte bietet er sich den Bürgern als der Einzige an, der die öffentliche Ordnung aufrechterhalten kann. Den Demokraten wirft er vor, sie unterstützten gewalttätige Demonstranten und wollten die Polizei durch Entzug von Geld schwächen, das so genannte „Defunding“.
Trump stachelt Anhänger auf, sich gegen den „linken Mob“ zur Wehr zu setzen, und lobt sie, wenn sie Gegengewalt ausüben, als „Patrioten“. Es ist ein ungewohntes Verhalten für einen US-Präsidenten: Statt besänftigend einzuwirken, ruft er dazu auf, das Gewaltmonopol des Staates zu missachten.
Diese Strategie zeichnet sich seit Monaten ab. Trump schickte Bundespolizei nach Portland, um die Proteste gegen Polizeigewalt niederzuschlagen – und um die öffentliche Reaktion auf die Konfrontationsstrategie zu testen. Beim Blick auf die Umfragen kann Trump sich Hoffnungen machen, dass diese Strategie aufgeht. Er holt auf, die Unterstützung für seinen Herausforderer Joe Biden sinkt. Im Juli führte Biden im Schnitt der landesweiten Erhebungen mit rund neun Prozentpunkten; jetzt sind es nur noch 6,9 Prozentpunkte.
In „Battleground States“ hat sich Bidens Vorsprung halbiert
Noch markanter ist der Stimmungsumschwung in wahlentscheidenden „Top Battleground States“ wie Arizona, Florida, Michigan, North Carolina. Pennsylvania und Wisonsin. Bidens Vorsprung dort hat sich im Schnitt der regionalen Umfragen halbiert. Ende Juni und Ende Juli lag er jeweils sechs Prozentpunkte vor Trump und den übrigen Juli deutlich über fünf Prozentpunkte; jetzt sind es noch 2,7 Prozentpunkte.
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Die beiden Nominierungsparteitage in der zweiten Augusthälfte haben hingegen keinen erkennbaren „Boost“ hinterlassen. Erst tagten die Demokraten, dann die Republikaner. Wegen Corona konnten die Conventions nicht wie gewohnt als physische Massentreffen stattfinden, sondern liefen als digitale Veranstaltungen mit eingespielten Videos ab.
Proteste mobilisierten anfangs die Demokraten
Die Massenproteste gegen Polizeigewalt hatten zunächst die Demokraten mobilisiert. Es sah danach aus, als könne Biden weitgehend auf persönliche Wahlkampfauftritte quer durch Amerika verzichten, sich gelegentlich mit Reden aus dem Studio im Keller seines Hauses in Delaware zu Wort melden und ansonsten abwarten, wie Trump sich zerstört. Die Coronakrise mit den hohen Zahlen an Toten und Infizierten sowie die Rezession und die Arbeitslosigkeit waren die dominierenden Themen.
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Doch allmählich wendete sich die Stimmung. Trump gelang es die Protestbewegung in moderate und radikale Krafte zu spalten. In der Wahrnehmung vieler US-Bürger traten die berechtigten Gründe für die Proteste in den Hintergrund und drängten sich die Bilder von Gewalt und brennenden Innenstädten nach vorn. Die Angst um die öffentliche Ordnung und den materiellen Besitz gewinnt derzeit mehr Aufmerksamkeit als Corona und die Wirtschaftskrise.
Nun nützen die Bilder von Gewalt und Chaos Trump
Mit aufstachelnden Reden hat Trump die Lage zugespitzt und Anhänger mobilisiert, sich der Protestbewegung auf der Straße entgegenzustellen. Es sind bedrückende Bilder eines Kulturkampfes, bei dem die streitenden Lager auf den ersten Blick zu erkennen sind: angefangen von den Autos, die sie fahren, über die Kleidung bis zur Sprache auf den mitgeführten Plakaten.
Trumps Anhänger fahren Pickups und Jeeps mit aufgepflanzten US-Fahnen. Immer wieder fallen bei solchen Konfrontationen Schüsse. Den politischen Nutzen von dieser Dynamik hat Donald Trump.