Coronakrise in den USA: Trump erklärt 99 Prozent der Covid-19-Fälle für „komplett harmlos“
US-Präsident Trump lobt sich am Nationalfeiertag trotz wachsender Infektionszahlen für seinen Umgang mit der Pandemie. Und er schürt die Spaltung im Lande.
Ungeachtet dramatisch steigender Infektionszahlen hat US-Präsident Donald Trump bei seiner Ansprache an die Nation am diesjährigen Unabhängigkeitstag den Umgang mit der Coronavirus-Pandemie gelobt. „Unsere Strategie kommt gut voran“, sagte Trump am Samstagabend (Ortszeit) im Garten des Weißen Hauses.
Seit Tagen verzeichnen die USA Höchststände an nachgewiesenen Neuinfektionen. Drei Tage in Folge (Stand Samstagabend Ortszeit) lagen die Zahlen nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität bei über 50.000 - so viele wie nie zuvor seit Beginn der Pandemie.
Trump spielte die Tragweite der Situation am Samstag erneut herunter. Man habe viel über das Virus gelernt und könne die „Flammen“ löschen, sagte er. Zu Beginn der Pandemie habe es keine Tests für das neue Virus gegeben, mittlerweile hätten die USA fast 40 Millionen Tests durchgeführt. Gesundheitsexperten widersprechen Trumps Darstellung, dass die hohe Zahl an Infektionen allein mit der Zahl der Tests zu erklären sei und verweisen auf den gestiegenen Anteil positiver Testungen.
Trump behauptete, dass 99 Prozent der gefundenen Fälle „komplett harmlos“ seien. Insgesamt wurden in den USA mehr als 2,8 Millionen Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 nachgewiesen. Rund 130.000 Menschen starben infolge einer Infektion.
Der Republikaner machte erneut China für die weltweite Ausbreitung des Virus verantwortlich und warf dem Land Vertuschung vor. „China muss in vollem Umfang zur Rechenschaft gezogen werden“, sagte Trump.
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Mitten in der sich zuspitzenden Coronakrise holte Trump in einer Ansprache an die Nation gegen Demonstranten und Gegner aus - wie bereits am Vorabend des traditionell unpolitischen Feiertags. „Wir werden niemals zulassen, dass ein wütender Mob unsere Statuen niederreißt oder unsere Geschichte auslöscht“, sagte Trump am Samstag (Ortszeit).
Sorgen vor neuen Coronavirus-Ansteckungen zum Trotz verzichtete Trump nicht auf die üppigen Feierlichkeiten in der US-Hauptstadt. Auf eine militärische Flugschau folgte ein gewaltiges Feuerwerk. Die Mehrheit der Gäste im Garten des Weißen Hauses trug keine Maske.
Ein ähnliches Bild hatte sich am Vorabend im US-Bundesstaat South Dakota gezeigt. Dort verfolgten mehrere Tausend Menschen Trumps Auftritt vor beeindruckender Kulisse: Über der Bühne thronte das Nationaldenkmal von Mount Rushmore - der Gebirgsfels mit den in Stein gemeißelten Köpfen von vier Ex-Präsidenten.
Trump wettert gegen „wütenden Mob“
Trump nutzte auch seinen Auftritt in Washington für Angriffe auf Demonstranten und seine politischen Gegner. Die „amerikanischen Helden“ hätten die Nazis, Faschisten, Kommunisten und Terroristen besiegt, amerikanische Werte gerettet und Prinzipien hochgehalten, sagte Trump. „Wir sind jetzt dabei, die radikale Linke, die Marxisten, die Anarchisten, die Unruhestifter und und Plünderer zu besiegen“, sagte er.
In Anspielung auf die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt, die seit Wochen nicht abreißen und eine Debatte über die Erinnerungskultur losgetreten haben, erneuerte Trump seine Aussage vom Vorabend des Unabhängigkeitstages: „Wir werden niemals zulassen, dass ein wütender Mob unsere Statuen niederreißt oder unsere Geschichte auslöscht.“ Die Werte, Traditionen, Bräuche und Überzeugungen würden beschützt.
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Trump ist ein Dorn im Auge, dass im Zuge der Proteste Statuen in Frage gestellt oder gestürzt wurden, die historische Figuren darstellen, die mit Rassismus in Verbindung gebracht werden. Auch lehnt er eine Änderung umstrittener Namen von Militärbasen ab.
Eine berühmte umstrittene Figur ist Christopher Kolumbus, der häufig als „Entdecker Amerikas“ bezeichnet wird. Historiker und Bürgerrechtler kritisieren ihn aber für sein gewalttätiges Verhalten gegenüber den Ureinwohnern Amerikas und dafür, entscheidend zum transatlantischen Sklavenhandel beigetragen zu haben. San Francisco entfernte erst kürzlich eine Kolumbus-Statue. Trump sagte: „Wir werden die amerikanische Lebensart verteidigen, beschützen und bewahren, die 1492 begann, als Kolumbus Amerika entdeckte.“
Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus auch am 4. Juli
Noch am Abend des Unabhängigkeitstages rissen Demonstranten in Baltimore an der Ostküste der USA laut Medienberichten eine Kolumbus-Statue von ihrem Sockel und warfen sie im Hafen ins Wasser.
In mehreren US-Städten, darunter in Washington und New York, kam es am Nationalfeiertag auch wieder zu Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt. In beiden Städten zündeten Demonstranten US-Fahnen an, wie auf Fotos zu sehen war.
Trump will bei der Wahl in vier Monaten für eine zweite Amtszeit antreten - doch er steht erheblich unter Druck. Umfragen sehen den designierten Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, Joe Biden, in Führung. Bei den Umfragen ist Vorsicht geboten, wie die Wahl 2016 zeigte. Doch Trump sieht sich nicht nur wegen seines Umgangs mit der Coronakrise Kritik ausgesetzt, sondern auch wegen seiner Reaktion auf Floyds Tod und die weitgehend friedlichen Proteste.
Biden: „Können Wurzel des systematischen Rassismus herausreißen“
Die USA haben nach Ansicht von Biden die Möglichkeit, Ungleichheiten ein für alle Mal zu überwinden. „Die amerikanische Geschichte ist kein Märchen. Sie war ein ständiges Hin und Her zwischen zwei Teilen unseres Charakters - der Idee, dass alle Männer und Frauen, alle Menschen gleich geschaffen sind, und dem Rassismus, der uns auseinander gerissen hat“, sagte Biden in einer am Samstag veröffentlichten Videobotschaft zum Nationalfeiertag.
Das Land habe jetzt die Chance, den Ausgegrenzten, Isolierten und Unterdrückten ihren „vollen Anteil am amerikanischen Traum“ zu geben.
„Wir haben die Chance, die Wurzeln des systematischen Rassismus aus diesem Land herauszureißen“, sagte Biden.
In einem Meinungsbeitrag für den Sender NBC News schrieb Biden, dass die USA nie ihrem Gründungsprinzip gerecht geworden seien, wonach alle Menschen gleich geschaffen sind. So steht es in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776.
Biden beklagte, dass das „Streben nach einer perfekteren Gemeinschaft“ in den vergangenen Jahren aus der Bahn geworfen worden sei. „Und niemand trägt dafür mehr Verantwortung als Präsident Donald Trump.“ (dpa)