Entlassung von FBI-Chef Comey: Trump befeuert die Russland-Debatte
Die Entlassung von FBI-Chef Comey ist ein Coup, der Trump gefährlich werden kann. Schon werden Vergleiche mit der Nixon-Affäre gezogen.
In seinen fast vier Monaten im Amt hat US-Präsident Donald Trump das Establishment in Washington schon oft geschockt. Aber nichts reicht an die Druckwelle der Bombe heran, die Trump mit der überraschenden Entlassung von FBI-Chef James Comey gezündet hat. Einige Politiker sprechen von einer Verfassungskrise. Das Wort „Amtsenthebung“ macht die Runde.
Wie wurde die Entlassung des FBI-Direktors offiziell begründet?
Der Rausschmiss wird offiziell mit Comeys Verhalten in der Mail-Affäre der früheren Außenministerin und Trump-Rivalin Hillary Clinton begründet. Die hatte einen privaten E-Mail-Account für dienstliche Mitteilungen genutzt. Erst vor wenigen Tagen hatte Trump dem FBI-Chef vorgeworfen, er habe Cinton mit dem Verzicht auf strafrechtliche Ermittlungen einen Freibrief ausgestellt.
Tatsächlich war der Republikaner Comey, der 2013 von dem demokratischen Präsidenten Barack Obama berufen wurde, heftig umstritten. In der vergangenen Woche hatte er vor dem Kongress ausgesagt, eine Clinton-Mitarbeiterin habe Hunderte, wenn nicht Tausende E-Mails an den Laptop ihres Mannes geschickt. Wenig später stellte sich heraus, dass es nur um eine Handvoll von Mails ging. Dass es bei der Entlassung tatsächlich um Comeys Vorgehen im Fall Clinton ging, glaubt aber niemand. Viele Beobachter gehen davon aus, dass er über die Ermittlungen zu den Russlandverbindungen von Trumps Mannschaft stürzte.
Worum geht es bei den Russland-Ermittlungen?
Das FBI, das zugleich auch Inlandsgeheimdienst ist, sowie andere Geheimdienste sind zu dem Schluss gekommen, dass russische Hacker im Auftrag des Kreml versucht haben, den US-Wahlkampf zugunsten von Trump zu beeinflussen. Deshalb seien E-Mails aus dem Lager Clintons an die Öffentlichkeit gebracht worden.
Die Frage, ob Trumps Helfer von diesen Versuchen wussten oder sogar mithalfen, soll in den laufenden Ermittlungen geklärt werden. In seinem Entlassungsschreiben an Comey betonte der Präsident ausdrücklich, dass Comey ihm selbst drei Mal versichert habe, gegen ihn werde nicht ermittelt. Damit wollte Trump offenbar dem Vorwurf zuvorkommen, er habe den FBI-Leiter aus persönlichen Gründen gefeuert. Das Magazin „Politico“ berichtete unter Berufung auf ungenannte Trump-Berater, der Präsident sei entrüstet gewesen, dass die Russland-Ermittlungen immer weiter liefen. Es sei an der Zeit, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen, sagte die stellvertretende Präsidialamtssprecherin Sarah Huckabee Sanders „Es wird allmählich absurd – da ist doch nichts“, sagte sie.
Kann Trump das Thema Russland hinter sich lassen?
Wenn er das glaubt, dürfte sich Trump getäuscht haben. Dass der Präsident ausgerechnet am Mittwoch, dem Tag nach Comeys Entlassung, ein Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow hatte, passt aus Sicht vieler Kritiker ins Bild. Lawrow genoss die ganze Sache sichtlich. „Comey ist gefeuert worden? Sie machen Witze“, sagte er mit gespielter Überraschung bei einem Treffen mit seinem Amtskollegen Rex Tillerson. Doch für Trump ist die angebliche Russland-Connection ernster denn je.
Schon werden wenig schmeichelhafte Vergleiche zwischen ihm und dem Skandal-Präsident Richard Nixon gezogen. US-Zeitungen erinnerten ihre Leser am Mittwoch an eine Episode aus dem Jahr 1973, die unter der Bezeichnung „Samstagabend-Massaker“ in die Geschichte einging. Damals feuerte der wegen der Watergate-Affäre in Bedrängnis geratene Nixon kurzerhand den Watergate-Sonderermittler Archibald Cox. Der damalige Justizminister Elliot Richardson und sein Stellvertreter William Ruckelshaus flogen gleich mit, weil sie sich geweigert hatten, Cox zu entlassen. Am Ende der Affäre stand der Rücktritt Nixons.
Wie reagieren Trumps Gegner?
Sie sehen eine ähnliche Entwicklung auf den derzeitigen Präsidenten zukommen. Oppositionspolitiker und Prominente wie der Schriftsteller Stephen King forderten am Mittwoch den Kongress auf, das Verfahren zur Amtsenthebung von Trump einzuleiten. Der demokratische Senator Brian Schatz sprach von einer „ausgewachsenen Verfassungskrise“, die durch Comeys Rausschmiss ausgelöst worden sei. Schon vor dem Comey-Erdbeben war das Weiße Haus in der Defensive, weil Trumps erster Sicherheitsberater Michael Flynn laut neuen Erkenntnissen auf den hohen Posten berufen wurde, obwohl er bei der Regierung als Lügner bekannt war. Flynn wurde im Februar erst entlassen, als seine Lügen – ebenfalls im Zusammenhang mit Russland – an die Öffentlichkeit kamen. Im Kongress wird nun der Ruf nach Einsetzung eines unabhängigen Sonderermittlers für die Akte Russland lauter.
Wer könnte Comeys Nachfolger werden?
Das wachsende Misstrauen im Parlament dürfte die Suche nach einem Nachfolger für Comey sehr schwierig machen. Trump kann den FBI-Chef zwar auf eigene Faust entlassen – doch bei der Bestellung eines neuen Behördenleiters ist er auf die Zustimmung des Senats angewiesen, wo es derzeit vernehmlich rumort. Trump-Spezies wie der Gouverneur von New Jersey Chris Christie oder der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani dürften im Senat keine Chance haben.
Als aussichtsreichere Kandidaten gelten der frühere New Yorker Polizeichef Ray Kelly und Mike Rogers, ein früherer Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus. Beiden Männern wird zugetraut, die Russland-Ermittlungen auch gegen den Willen des Präsidenten weiter zu verfolgen, wenn es genügend Verdachtsmomente gibt. Doch eine solche Eigenständigkeit ist möglicherweise ein Charakterzug, den Trump beim nächsten FBI-Chef nicht sehen will.
Wie reagiert Russland auf die jüngsten Vorgänge in den USA?
Der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Dmitri Peskow, betonte am Mittwoch, Comeys Entlassung sei eine rein innenpolitische Angelegenheit der USA. „Das ist eine souveräne Entscheidung des US-Präsidenten, die absolut keinen Bezug zu Russland hat und haben sollte“, sagte Peskow. Zugleich betonte er, Russland hoffe, dass dadurch die Beziehungen zu den USA nicht beeinflusst würden. Bemerkenswert an dieser Äußerung ist vor allem, dass der Kreml sich überhaupt genötigt sieht, auf die Nachricht von Comeys Entlassung zu reagieren.
Der nach Trumps Wahlsieg erhoffte Neuanfang in den Beziehungen mit den USA lässt auf sich warten, in den russischen Staatsmedien sind die Lobreden auf den neuen US-Präsidenten verstummt.
Außenminister Lawrow wollte in Washington den russischen Plan für Schutzzonen in Syrien voranbringen. Außerdem dient sein Besuch der Vorbereitung des ersten Treffens von Trump und Putin, das am Rande des G20-Gipfels in Hamburg im Juli stattfinden soll.