Joe Biden gewinnt Briefwahl-Primary in Ohio: Trump attackiert Biden mit manipuliertem Video
Mit einem Trick umgeht der Präsident die Twitter- und Facebook-Regeln gegen Fake News. Damit testet Trump die Grenzen, was Bürger im Wahlkampf akzeptieren. Eine Analyse.
Inmitten beträchtlicher Unsicherheit, ob die US-Präsidentschaftswahl wie geplant am 3. November stattfinden wird, tritt der Wahlkampf in Amerika in eine neue Phase. Mit einem hohen Sieg in der Vorwahl in Ohio hat Joe Biden in der Nacht zu Mittwoch bestätigt, dass er der demokratische Herausforderer sein wird. Immer mehr Anhänger seines innerparteilichen Konkurrenten Bernie Sanders rufen zur Unterstützung Joe Bidens auf.
Parallel veröffentlichte Donald Trumps Wahlkampfteam ein manipuliertes Video, das Biden als einen Greis mit willenlos aus dem Mund fahrender Zunge zeigt. Damit testet es offenbar Wahlkampfmethoden, die bisher als Tabu galten.
Mit Tricks umgeht der Amtsinhaber dabei die Regeln sozialer Netzwerke, die die Verbreitung manipulierter Videos verhindern sollen. Der Twitter-Account, von dem das Video stammt, das Trump weiterverbreitet, kennzeichnet das Video ausdrücklich als "Deep Fake" - was offenbar der Grund dafür ist, dass es weder von Twitter noch von Facebook aus dem Umlauf gezogen wurde. Außerdem wird so getan, als sei der Urheber des Videos ein Anhänger des linken Demokraten Bernie Sanders.
Als die Regeln in den sozialen Netzwerken eingeführt wurden, hatte man erwartet, dass diese Art persönlicher Angriffe von anonymen Urhebern kommen und womöglich von Staaten, die die westliche Demokratie untergraben wollen, schreibt das Magazin "The Atlantic" in seiner Analyse. Aber nicht vom Präsidenten der Vereinigten Staaten.
In den Netzwerken kursiert auch weiter der Vorwurf, Joe Biden habe vor Jahrzehnten eine Mitarbeiterin in seinem Senatoren-Büro, Tara Reade, sexuell belästigt. Die Anschuldigung wird seit Wochen diskutiert, findet wegen des widersprüchlichen Verhaltens der Anklägerin aber weniger Resonanz als andere "Metoo"-Vorwürfe gegen Prominente.
Biden siegt in Ohio mit 72 Prozent
Um die Vorwahl in Ohio und in weiteren Staaten hatte es beträchtliches Gezerre gegeben. In Wisconsin griff sogar der Supreme Court in den Streit um Gesundheit und Demokratie ein. Ohio ist einer der traditionell entscheidenden "Battleground"-Staaten in der Präsidentschaftswahl. Die Vorwahl sollte ursprünglich am 17. März stattfinden. Wegen der Corona-Pandemie untersagte der republikanische Gouverneur die Stimmabgabe im Wahllokal und wollte sie in den Juni verschieben.
Der Landtag entschied sich dann für eine Briefwahl mit letztem Einsendedatum 28. April. Nach vorläufigen Ergebnissen bekam Biden 72,4 Prozent der Stimmen, Sanders 16,5 Prozent. Damit erhält Biden 78 Delegierte für den Nominierungsparteitag, Sanders 2.
Sanders hat Biden bereits "endorsed", unterstützt ihn also als Präsidentschaftskandidaten. Immer mehr seiner Anhänger stellen sich ebenfalls hinter Biden und gründen Organisationen, die Spenden für Biden sammeln. Auch Hillary Clinton hat sich jüngst für Biden ausgesprochen.
Unsicherheit über die Abläufe im Wahljahr
Biden hantiert ebenfalls mit fragwürdigen Vorwürfen und verstärkt so die Unsicherheiten um die Wahl im November. Bei einem Auftritt am 23. April warf er Trump vor, der wolle die Abstimmung am 3. November womöglich wegen Corona absagen oder verschieben. Das liegt jedoch nicht in der Entscheidungsmacht des Präsidenten. Auch diese Attacke verbreitete sich viral über die sozialen Netzwerke. Nach der Verfassung legt der US-Kongress "Zeit, Ort und Ablauf von Wahlen" fest.
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Schon jetzt beeinflusst die Pandemie die Abläufe im Wahljahr beträchtlich. Der gewohnte Wahlkampf mit öffentlichen Rallies kann nicht stattfinden und verlagert sich in die sozialen Medien. Vorwahlen werden verschoben oder als reine Briefwahlen abgehalten.
Die Demokraten haben ihren Nominierungsparteitag, der ursprünglich Mitte Juli in Milwaukee im "Battleground"-Staat Wisconsin geplant war, auf die zweite Augusthälfte verschoben - in die Woche vor der Republican Convention. Ob die beiden Parteitage als Massenveranstaltungen abgehalten werden können, bleibt ungewiss.