Ukraine-Krise: Trotz Friedensplan: Kämpfe in und um Donezk gehen weiter
Moskau und Kiew verständigen sich in Minsk auf einen Friedensplan, doch die Auseinandersetzungen im Osten der Ukraine gehen weiter. In der Innenstadt von Donezk sind mindestens drei Zivilisten durch Beschuss getötet worden.
Stundenlang dauerten die Gespräche in der weißrussischen Hauptstadt Minsk. Am Ende vereinbarten der russische Präsident Wladimir Putin und sein ukrainischer Amtskollege Petro Poroschenko den Beginn eines umfassenden Friedensplanes. Als „positiv“ und „nützlich“ bewertete Putin das Treffen. Poroschenko sprach von „sehr schwierigen Gesprächen über den Friedensplan“, der aber schließlich von der russischen und der europäischen Seite in vollem Umfang Unterstützung gefunden hätte.
Als erste Maßnahme sei der Austausch von Kriegsgefangenen vorgesehen. Zudem soll in den nächsten Tagen auch die trilaterale Kontaktgruppe, bestehend aus OSZE, Russland und der Ukraine, ihre Gespräche in Minsk wieder aufnehmen. Poroschenko hatte Putin offenbar seine Roadmap vom Juni 2014 vorgelegt. In dem 15 Punkte umfassenden Plan geht es um die komplette Befriedung des Donbass sowie die Schaffung von Pufferzonen, die den straffreien und freiwilligen Rückzug aller „russischen und ukrainischen Söldner“ nach Russland garantieren. Zudem soll sichergestellt werden, dass die Gebiete Lugansk und Donezk an den für den 26. Oktober vorgesehenen vorgezogenen Parlamentswahlen teilnehmen können.
Auch über die Wiederaufnahme der Konsultationen im Energiebereich verständigten sich die beiden Staatschefs. Über Bedingungen für eine Feuereinstellung in der Ostukraine dagegen wurde „substanziell nicht gesprochen“, sagte Putin. Dabei betonte er nochmals, dass die Krise ohne Berücksichtigung der Lebensinteressen der – überwiegend russischsprachigen – Menschen im Südosten nicht beigelegt werden kann. Bei dem dazu „dringend nötigen Verhandlungsprozess“ könne Russland jedoch nur eine Atmosphäre des Vertrauens schaffen. Der Konflikt selbst sei eine innerukrainische Angelegenheit.
In der Innenstadt von Donezk sind Zivilisten getötet worden
Vor dem Hintergrund schwerster Kämpfe in der Ost-Ukraine sind die Befürchtungen in Kiew groß, die kriegerischen Auseinandersetzungen könnten noch größere Teile in der Ost-Ukraine erfassen. In der Innenstadt von Donezk sind mindestens drei Zivilisten durch Beschuss getötet worden. "Der Beschuss durch Artillerie ist enorm“, berichtete Militärsprecher Andrej Lysenko. Innerhalb der vergangenen 24 Stunden seien 13 Soldaten gefallen und 36 verletzt worden. In den Reihen der Separatisten habe es 225 Tote gegeben. Ein Auto mit mehreren Insassen wurde zudem am Mittwoch auf dem zentralen Schewtschenko-Boulevard von Granatsplittern getroffen, wie ein AFP-Korrespondent beobachtete.
Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk bat am Mittwoch jedoch erneut die Nato zur Hilfe. Das westliche Militärbündnis müsse auf seinem Gipfel in der kommenden Woche in Wales „Schlüsselentscheidungen“ für „praktische Hilfe“ für sein Land treffen, sagte er. Einem Bericht des „Guardian“ zufolge plant die Nato, neue Stützpunkte im östlichen Bündnisgebiet zu eröffnen. Dies sei notwendig, um die erhöhte Einsatzbereitschaft sicherzustellen, sagte Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Russland reagierte darauf mit deutlichen Worten. „Russland wird auf Schritte der Nato im Osten reagieren“, teilte Moskaus ständige Vertretung bei dem Militärbündnis am Mittwoch mit. Eine Verstärkung der Truppen in Osteuropa gefährde die euro-atlantische Stabilität, schrieb die Vertretung im Kurznachrichtendienst Twitter. Es dränge sich der Verdacht auf, dass die Nato Russland nicht als Partner sehe.
Nur Stunden nach dem Treffen in Minsk vermeldete die Ukraine, dass bis zu hundert russische Militärfahrzeuge ins Land gekommen seien. Es gebe Informationen über Panzer, Truppentransporter und Raketenwerfer, die Richtung Telmanowe führen, erklärte das Militär. Der nationale Sicherheitsrat in Kiew wollte die Berichte über einen angeblichen russischen Militärkonvoi nicht bestätigten. Von einer Panzerkolonne aus 100 Fahrzeugen im Grenzgebiet sei nichts bekannt, sagte Lysenko am Mittwoch in der ukrainischen Hauptstadt. „Heute haben wir dort keine Bewegung einer Kolonne festgestellt“, betonte er.
Moskau leugnet, mit Soldaten in der Ukraine zu operieren
Moskau leugnet, mit Soldaten in der Ukraine zu operieren. Kritische Medien und das Komitee der Soldatenmütter dagegen berichten von Verwundeten, die abgeschirmt in Krankenhäusern mehrerer zentralrussischer Regionen gepflegt werden. Auch sollen bereits mindestens neun Fallschirmjäger in der Ostukraine gefallen sein. Zehn weitere Fallschirmjäger wurden am Montag im Gebiet Donezk in der Ukraine gefangen genommen.
Kameraden, die nur ihre Vornamen nennen wollten, sagten bei einem Telefon-Interview mit Radio Echo Moskwy, ihre Einheiten seien überraschend aus Zentralrussland an die ukrainische Grenze verlegt, die Kennzeichen ihrer Fahrzeuge zuvor übermalt worden. Das genaue Einsatzziel habe man ihnen nicht genannt, auch hätten Offiziere ihnen die Papiere abgenommen. Ältere russische Kriegsberichterstatter fühlten sich lebhaft an die „frühe Phase“ des Krieges erinnert, den die Sowjetunion zwischen 1979 und 1989 in Afghanistan führte. (mit AFP)