Rechte Gewalt: Tötung von Obdachlosen - Lücken in der Statistik
Mindestens zwei Fälle sind allein in Brandenburg aktenkundig. Doch der Bundesregierung sind politisch motivierte Tötungsdelikte gegen Obdachlose nicht bekannt.
Die Fraktion der Grünen im Bundestag ist sauer. Auf eine Kleine Frage zu politisch motivierten Tötungsdelikten gegen Obdachlose von 1990 bis 2016 nennt die Bundesregierung in ihrer Antwort keinen einzigen Fall. Das sei „eine Frechheit“, sagt Monika Lazar, in Rechteder Grünen-Fraktion die „Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus“. Obdachlose würden damit „auch über ihren gewaltsamen Tod hinaus ein weiteres Mal ausgegrenzt und ihrer Würde beraubt“.
Das Innenministerium sagt in der Antwort, „Detailinformationen“ zu Opfern, zum Beispiel Obdachlose und Sozialempfänger, seien im Kriminalpolizeilichen Meldedienst der Landeskriminalämter „nicht als Pflichtfelder vorgesehen“. Deshalb seien solche Opfereigenschaften keine Erfassungskriterien in der Fallzahlendatei des Bundeskriminalamts „und nicht automatisiert recherchierbar“.
Dennoch überrascht, dass das Ministerium keinen einzigen politisch motivierten Mord an Obdachlosen und Sozialhilfeempfängern nennen kann. Die Grünen verweisen darauf, dass zwei einschlägige Tötungsdelikte in Brandenburg bereits 2009 in der Antwort auf eine Große Anfrage der Linksfraktion als politisch motivierte Gewalttaten aufgelistet sind. Es handelt sich um den Mord an dem Obdachlosen Dieter Manzke, den eine Clique junger Männer im August 2001 in Dahlewitz zu Tode prügelte, und den tödlichen Angriff zweier Rechtsextremisten auf den alkoholkranken Arbeitslosen Bernd Köhler im Juli 2008 in Templin.
Das Ministerium hatte zwar 2009 in seiner Liste zu Todesopfern rechter Gewalt generell nur Datum, Tatort, Land, die Anzahl der Todesopfer und „Täter/Tatverdächtige“ in technischen Stichworten genannt. Trotzdem ist kaum vorstellbar, dass keine Hintergründe der Taten bekannt sind. Dass der Tagesspiegel in seinen Berichten zu den Defiziten in den Polizeistatistiken zu Todesopfern rechter Gewalt alle Fälle, die offiziell anerkannten wie die nicht eingestuften, detailliert beschrieb, haben BKA und Ministerium nachweislich registriert.
In der aktuellen Antwort auf die Kleine Anfrage der Grünen nennt das Ministerium jetzt lediglich Zahlen zu Delikten „mit dem Unterthema ,Gesellschaftlicher Status’“. Das kann Hasskriminalität gegen Obdachlose sein, gemeint sind aber auch Angriffe auf hochwertige Fahrzeuge und Polizeibeamte. Wer getroffen wurde und von wem, ist der Statistik nicht zu entnehmen. Die Bilanz ergibt für die Jahre 2001 bis 2016 insgesamt 732 links motivierte Delikte, darunter 491 Gewalttaten, sowie 798 rechte Delikte mit 159 Gewalttaten. Weitere Delikte werden politisch motivierten Ausländern und „Sonstigen“ zugeordnet.