Politik: Tod in der Wüste
Heute vor hundert Jahren begann der Völkermord an den Herero in Namibia – der erste im 20. Jahrhundert
Wie eine Festung erhebt sich das Massiv aus der Steppe: 250 Meter hoch thront der Waterberg über dem Buschland von Namibia, der früheren deutschen Kolonie Südwestafrika. Stephanus Upani kann sich noch immer an der spektakulären Kulisse begeistern. Der hoch gewachsene Herero mit den wachen Augen führt seit Jahren Touristen vom Rastlager am Fuße des Berges auf das Plateau und erklärt in fast perfektem Deutsch die Geologie und Fauna der Region.
Mehr als die Pflanzen- und Tierwelt interessiert die meisten Besucher jedoch eine Schlacht, die hier am 11. August 1904 zwischen den Soldaten der deutschen Schutztruppe und rund 6000 Hereros tobte – und die einige Historiker als den ersten Genozid im 20. Jahrhundert beschrieben haben. Im Januar 1904 erheben sich die Herero gegen die deutschen Siedler, die seit 1884 im Zuge der Kolonisierung nach Südwestafrika kommen. Gut bewaffnete Kämpfer ermorden binnen weniger Tage an die 200 Siedler. Missionare, Frauen und Kinder werden ausdrücklich verschont. Was genau zum Aufstand führt, ist umstritten. Vermutlich ist es der fortschreitende Verlust von Land und Vieh an die immer größer werdende weiße Siedlerschar, der die Hereros verbittert. Die alltägliche Diskriminierung und zunehmende Rechtsunsicherheit gipfeln schließlich in einem Krieg, der von allen Kriegen, die Deutschland als Kolonialmacht im Kaiserreich führte, der mit Abstand blutigste war – und für die Herero in einer Katastrophe mündet.
Im Juli 1904 zieht der deutsche Kommandant, Generalleutnant Lothar von Trotha, mehr als 4000 deutsche Soldaten jenseits des Waterbergs zusammen, dazu dreißig Feldhaubitzen und ein Dutzend Maschinengewehre. Zunächst versucht von Trotha, die Hereros einzukreisen, doch die durchbrechen den Belagerungsring und fliehen in die fast wasserlose Omaheke-Wüste im Osten. Von Trotha erlässt jene berüchtigte Anordnung, die später als Vernichtungsbefehl in die Geschichte eingeht. „Innerhalb der Deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen.“ Wie viele Hereros in dem Krieg mit den Deutschen umkamen, lässt sich heute nicht mehr ermitteln. Sicher ist, dass Tausende in der Wüste einen qualvollen Tod durch Verdursten starben.
Die Hereros fordern deshalb von Deutschland rund vier Milliarden Dollar. Berlin hält dagegen, die nach 1945 geschaffenen UN-Normen zur Ahndung von Genozid könnten nicht rückwirkend auf das Jahr 1904 angewandt werden. Insofern hätten die Verbrechen „keinen Verstoß gegen geltendes Völkerrecht“ bedeutet – und seien im Übrigen verjährt.
Diese Position dürfte auch Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek Zeul bekräftigen, die am Wochenende als Vertreterin der Bundesregierung an einer Gedenkfeier zum 100. Jahrestag der Schlacht am Waterberg teilnimmt. Dafür bedauert man das Geschehen und zahlt reichlich Entwicklungshilfe. Für die namibischen Machthaber indes ist das Schicksal der Herero nur eine Fußnote im nationalen Befreiungskampf. Kein Wunder, dass viele Herero weit mehr Vorbehalte gegenüber der eigenen Regierung als gegenüber den Deutschen hegen.
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