Unionsstreit: Tod der Sterbehilfe
Die Justizministerin will nur die kommerziell betriebene Sterbehilfe verbieten. Einigen aus der CDU ist das zu wenig.
Berlin - In der Regierungskoalition verschärft sich der Streit um die Sterbehilfe. In ihrem Ärger über den Gesetzentwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die lediglich kommerziell betriebene Suizidbeihilfe verbieten will, haben etliche Unionsabgeordnete nun eine wesentlich rigidere Gesetzesversion zu Papier gebracht. Demnach würde sich das Verbot auf sämtliche Formen organisierter Sterbehilfe beziehen – und auch die Gründung entsprechender Vereinigungen samt der Werbung dafür unter Strafe stellen.
Man schlage vor, „die auf wiederholte Tatbegehung gerichtete Suizidunterstützung durch Einzelpersonen oder organisierte Personengruppen, die Suizidförderung aus selbstsüchtigen Motiven und die Werbung zur Förderung von Selbsttötungen strafrechtlich zu verbieten“, heißt es in dem Entwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt. Nicht unter Strafe stehen solle lediglich die „individuelle, einzelfallbezogene und nicht von eigennützigen Erwägungen getragene Mitwirkung an einer Selbsttötung“.
Wenn man nur gegen die „gewerbsmäßige“ Sterbehilfe vorgehe, verbiete man etwas „wogegen derzeit gar keiner verstößt“, sagte der Mitinitiator und Behindertenbeauftragte der Regierung, Hubert Hüppe, dem Tagesspiegel. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn sieht das genauso. Ein Gesetz, das die in gemeinnützigen Vereinen organisierten Sterbehelfer nicht miteinbeziehe, könne als ausdrückliche Erlaubnis von Sterbehilfe missverstanden werden, warnte er. Auch Kirchen und Bundesärztekammer kritisierten, dass durch den Gesetzentwurf des Justizministeriums eine Grauzone entstehe, in der Sterbehilfevereine wie der des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch ihre Leistungen gegen Vereinsgebühren anbieten können.
Der Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, dagegen nannte den Vorstoß der Unionsabgeordneten kontraproduktiv. „Damit schießen sie komplett übers Ziel hinaus und vereiteln alle unsere Versuche, die Opposition mit ins Boot zu holen“, sagte er dem Tagesspiegel. Ein Vereinigungs- und Werbeverbot kenne man nur aus den Terroristengesetzen. Vereinsgründungen seien grundgesetzlich geschützt, und ein Werbeverbot könne das Recht auf freie Meinungsäußerung tangieren. Um eine Verbesserung zu erreichen, hätten sich die Unionsabgeordneten auf das Verbot „geschäftsmäßiger“ Suizidförderung beschränken müssen.
Unionsfraktionsvize Günter Krings (CDU) sagte dem Tagesspiegel, er unterstütze den Antrag in dessen Intention. Allerdings würde er „ davor warnen, wenn man nicht alles haben kann, gar nichts zu tun“. Ein Verbot gewerblicher Suizidbeihilfe wäre schon ein erster „ganz wichtiger Schritt“. Und um die FDP zu weiterem Entgegenkommen zu bewegen, dürfe man „nicht von vornherein auf Maximalpositionen beharren“. Rainer Woratschka