Baden-Württemberg: Thomas Strobl: „Koalieren, nicht fusionieren“
CDU-Landeschef Thomas Strobl will mit seiner Partei in Baden-Württemberg die erste grün-schwarze Regierung bilden. Das wird nicht einfach. Ein Interview.
Die CDU-Ba-Wü macht es wie die SPD im Bund. Anstatt ihr Scheitern zu analysieren, weichen sie dieser unangenehmen Aufarbeitung ihrer Fehler in der Vergangenheit aus und retten sich - zwar nur als Junior - in die "Regierungsverantwortung".
schreibt NutzerIn 2010ff
Täuscht der Eindruck, dass die CDU in Baden-Württemberg zum Regieren regelrecht getragen werden muss?
Wir haben eine besondere, eine schwierige Lage. Die „klassischen“ Koalitionen – CDU mit FDP, Grüne mit SPD – sind nicht möglich. Ich habe aber immer betont, dass wir in der Lage sein müssen, auch mit den Grünen zu reden. Das tun wir jetzt, auch aus einer staatspolitischen Verantwortung heraus. Denn sonst bekäme Baden-Württemberg keine Regierung und es gäbe Neuwahlen. Das ist nicht zu verantworten.
Nun ist staatspolitische Verantwortung ja noch keine Basis für ein Bündnis. Wo sind denn Gemeinsamkeiten?
Wir gehen in die Gespräche mit dem Bewusstsein, dass wir die erarbeiten wollen. In den Sondierungen haben sich freilich schon gemeinsame Zielsetzungen abgezeichnet. So hat Nachhaltigkeit für uns Christdemokraten nicht nur ihre Berechtigung in der Ökologie, sondern auch bei Haushalt und Finanzen. Es gibt keinen Streit darüber, dass die Schuldenbremse eingehalten wird. Wir werden einen Schwerpunkt bei der Digitalisierung setzen. Als ich gesagt habe, Baden-Württemberg mit seiner starken Wirtschaft muss auf diesem Gebiet die Nummer eins in Deutschland und Europa werden, habe ich von den Grünen keinen Widersprach gehört. Nachhaltigkeit und Spitzentechnologie – das passt doch zum und ins Ländle!
Aber was wird aus Schwerpunktthemen des CDU-Wahlkampfs wie Schulpolitik oder Verkehrsinfrastruktur?
Natürlich bleiben in bestimmten Fragen klare Unterschiede zwischen den Parteien. Wir wollen mit den Grünen ja koalieren, nicht fusionieren. Wir gehen ein Arbeitsbündnis auf Zeit ein, das programmatische Unterschiede bestehen lässt. Trotzdem sollten Kompromisse möglich sein, in denen sich beide wiederfinden können und die für die mehr als zehn Millionen Menschen in Baden-Württemberg gut sind.
Die Südwest-CDU hat sich stets als naturgegebene Regierungspartei gefühlt. Schafft sie es überhaupt, Nummer zwei zu sein?
Das ist ein Schlag in die Magengrube. Der schmerzt. So richtig verdaut haben wir das nicht. Aber wir müssen das Wahlergebnis annehmen. Hinfallen tut man, dann gilt aber: aufstehen, Ärmel hochkrempeln, anpacken!
Was konkret heißt „annehmen“?
Annehmen heißt, die Realität zu akzeptieren. Die Grünen sind dank Winfried Kretschmann die Stärkeren nach der Wahl. Er bleibt also Ministerpräsident, wenn es zu einer Koalition kommt. Die Wähler haben das so gewollt, und wir akzeptieren das Wählervotum. Wir müssen uns aber deswegen nicht selbst kleinmachen. Die CDU ist mit Abstand die mitgliederstärkste Partei im Land. Wir sind in der Kommunalpolitik und im vorpolitischen Raum der Verbände und Vereine verankert wie kein anderer. Die CDU gibt es in jedem Weiler. Diese Substanz ist und bleibt unser starkes Pfund.
Sie waren 2006 Generalsekretär, als die CDU den Grünen eine Koalition anbieten wollte. War es ein Fehler, diese Gelegenheit auszulassen?
Ja, ich saß damals schon Herrn Kretschmann in den Sondierungsgesprächen gegenüber, und ich hätte es spannend gefunden, diese Gespräche fortzusetzen. Leider hat damals ein einziges Zeitungsinterview diese Bemühungen zunichtegemacht.
... in dem Stefan Mappus als Fraktionschef die CDU auf die FDP festlegte. Auch der heutige Fraktionschef und Ex-Spitzenkandidat Guido Wolf war anfangs gegen das Bündnis mit den Grünen. Welche Rolle spielt er jetzt?
Als Landesvorsitzender habe ich immer gesagt: Selbstverständlich sind wir gegenüber allen Parteien – mit Ausnahme der AfD – für Gespräche offen. Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion ist natürlich engstens in die Verhandlungen eingebunden. Wir machen das gemeinsam. Auch das habe ich immer so gesagt.
Wenn es gut geht: Was könnte die CDU in Baden-Württemberg aus fünf Jahren Zusammenregieren mit Grünen lernen?
Dieses einmalige, erstmalige und außergewöhnliche Bündnis birgt sicher das eine oder andere Risiko. Aber wie alles im Leben enthält es auch Chancen. Vielleicht entwickelt es am Ende des Tages sogar einen besonderen Charme.
Könnten Sie sich vorstellen, diesem Charme zum Durchbruch zu verhelfen, indem Sie ganz ins Land wechseln?
In meiner Funktion als Landesvorsitzender bemühe ich mich sehr darum, dass wir unserer Verantwortung für Baden-Württemberg gerecht werden. Und da gibt es eine klare Abfolge: erst das Land, dann die Partei, ganz zuletzt kommt die Person. Das gilt besonders in dieser schwierigen Zeit.
Der baden-württembergische CDU-Landeschef Thomas Strobl (56) stammt aus Heilbronn und ist selbständiger Rechtsanwalt. Auf Bundesebene ist er stellvertretender Partei- und Unionsfraktionschef. Das Gespräch führte Robert Birnbaum.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität