Brexit: Theresa Mays Pudding
Die britische Premierministerin entwirft einen vernünftigen Brexit-Plan - mit Haken. Ein Kommentar.
Es bleiben noch 18 Monate, bevor Großbritannien die EU verlässt. Wenn es am 29. März 2019 so weit ist, werden in Großbritannien viele Brexiters jubeln. Auf dem Kontinent wird man dem Abschied der Briten, die in der Gemeinschaft ohnehin nie richtig heimisch wurden, mit einem lachenden und einem weinenden Auge verfolgen. Aber eines kann niemand wollen, der nur halbwegs bei Trost ist: dass der Brexit im März 2019 in ein wirtschaftliches Niemandsland führt – mit Zollkontrollen, endlosen Lkw-Schlangen und leergefegten Regalen im Supermarkt. Die britische Regierungschefin Theresa May hat mit ihrer Rede in Florenz schon einmal den Grundstein dafür gelegt, dass es nicht zu einem derartigen Desaster kommt.
Die Gefahr eines "No deal"-Szenarios
Noch bis vor Kurzem hatten britische Politiker getönt, dass man es bei den schwierigen Brexit-Verhandlungen mit den 27 verbleibenden EU-Staaten ruhig darauf ankommen lassen könne, am Ende ohne Vereinbarung dazustehen. Von diesem „No deal“-Szenario, das zwangsläufig in ein wirtschaftliches Chaos münden würde, hat sich May nun in Florenz zumindest rhetorisch verabschiedet. Ihr Angebot, nach dem Brexit im März 2019 eine rund zweijährige Übergangsphase zu starten, gibt Bürgern, Firmen und Verwaltungen auf beiden Seiten Planungssicherheit.
Machbar ist eine solche Übergangsphase durchaus. Großbritannien hätte dann zwar kein Stimmrecht mehr in der EU, könnte aber weiter vorübergehend am Binnenmarkt teilnehmen – unter der Voraussetzung, dass London auch für die Übergangsphase in die EU-Kasse einzahlt. Einige Sorgen dürfte den Verhandlern auf der Seite der EU-27 allerdings die Ansage der britischen Regierungschefin bereiten, dass sich EU-Bürger bei ihrer Einreise nach Großbritannien auch während der Übergangsphase registrieren lassen müssen. Mit den Regeln des Binnenmarktes, der gleichermaßen die freie Bewegung von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital vorsieht, ist dies zunächst einmal schwer in Einklang zu bringen.
In die richtige Richtung weist dafür Mays Zusage, dass Großbritannien jene finanziellen Verpflichtungen erfüllen wird, die London während der EU-Mitgliedschaft eingegangen ist. Das ist immerhin schon ein Fortschritt. Zur Erinnerung: Noch im Sommer hatte Außenminister Boris Johnson gefordert, dass London auf die Geldforderungen der EU pfeifen solle.
Was Mays Vorschläge wert sind, wird sich in Brüssel zeigen
Nun sollte aber niemand nach Mays Rede vorzeitig aufatmen. Natürlich wäre es im beiderseitigen Interesse, wenn die Erklärung von Florenz tatsächlich einer Einigung darüber den Weg ebnen könnte, welche finanziellen Verpflichtungen London insgesamt zu schultern bereit ist. Aber wie sagen es die Briten doch so schön? Die Qualität des Puddings erweist sich beim Essen. Und wie viel Unterstützung May für ihre Kompromissvorschläge tatsächlich in London hat, muss sich bei den Brexit-Gesprächen erst zeigen. Die werden am Montag in Brüssel fortgesetzt.