Studie "Kalifat im Niedergang": Terrormiliz IS brechen die Einnahmen weg
Der "Islamische Staat" gilt als reichste Terrororganisation. Aber innerhalb von zwei Jahren haben sich einer Studie zufolge ihre Einnahmen halbiert.
Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) bekommt offenbar finanzielle Probleme. Die Autoren einer gemeinsamen Untersuchung des International Center for the Study of Radicalization (ICSR) und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young schätzen, dass die Einnahmen der Terroristen seit dem Jahr 2014 um mehr als die Hälfte zurückgegangen sind. In ihrer Studie mit dem Titel "Kalifat im Niedergang – Eine Schätzung der Vermögen des Islamischen Staates" werteten die Wissenschaftler interne IS-Unterlagen, öffentlich zugängliche Regierungsdokumente, Medienberichte und eigene Recherchen aus. 2014 nahm der IS demnach geschätzt noch umgerechnet bis zu 1,8 Milliarden Euro ein. Zwei Jahre später waren es dann nur noch höchstens umgerechnet 815 Millionen Euro.
Grund: Der IS hat wichtige Gebiete verloren und keine neuen dazugewonnen. Dadurch schrumpfen die Einnahmen aus Steuern, Öl und Raub. "Wenn sich der Trend fortsetzt, bricht das ,Geschäftsmodell’ des IS bald zusammen", sagt Stefan Heißner von Ernst & Young. "Der Terrororganisation ist es nach allen vorliegenden Daten nicht gelungen, ihre Einnahmequellen zu halten oder sich neue zu erschließen", sagt Heißner. Je kleiner das Gebiet werde, das der IS kontrolliere, "desto kleiner wird der Kontostand der Terroristen".
Der Studie zufolge, die am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz offiziell vorgestellt wurde, betrugen die Einnahmen des IS aus Steuern und Abgaben im vergangenen Jahr zwischen 200 und 400 Millionen Dollar und waren damit nur noch halb so hoch wie ein Jahr zuvor. Auch die Ausbeutung von Ölquellen und anderer natürlicher Ressourcen werde für den IS immer schwerer. Hier seien die Einnahmen von maximal 450 Millionen Dollar im Jahr 2015 auf nur noch höchstens 250 Millionen Dollar im vergangenen Jahr zurückgegangen.
Besonders stark seien aber die Einnahmen aus Plünderungen und Beschlagnahmungen zurückgegangen. Sie waren anfangs die wichtigste Geldquelle des IS. Habe das einst bis zu eine Milliarde US-Dollar eingebracht, versiege diese Geldquelle jetzt zusehends. Der Studie zufolge hat sich das von der Terrormiliz kontrollierte Gebiet seit 2014 um insgesamt 37 Prozent verkleinert. Die entsprechende Zahl der unter der Herrschaft des IS lebenden Bevölkerung ging um insgesamt 23 Prozent zurück. "Es gibt hinreichend Gründe, davon auszugehen, dass die Einnahmen des IS weiter sinken werden", sagt Heißner. Auch Finanz- und Transaktionskontrollen wirken immer mehr.
Gleichwohl warnt er davor, die Gefahr von Anschlägen durch Terroristen des "Islamischen Staates" zu unterschätzen. Häufig könnten die Attentate mit vergleichsweise geringem Aufwand durchgeführt werden. "Einer Schätzung französischer Behörden zufolge wurden für die Anschläge vom 13. November 2015 in Paris nicht mehr als 20.000 Euro aufgewendet", sagte der Terrorexperte Peter Neumann, einer der vier Autoren der Studie.