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Die italienische Marine nimmt Bootsflüchtlinge auf.
© AFP

Flucht über das Mittelmeer: Tausende Familien aus Syrien riskieren ihr Leben auf dem Weg nach Europa

Die Lage in Syrien ist dramatisch, Millionen sind auf der Flucht. Über Libyen, Ägypten und die Türkei. Und dann über das Mittelmeer nach Europa - den Schlepperbanden auf Gedeih und Verderb überlassen.

Zunächst war vom italienischen Patrouillenschiff aus nur einer kleiner, grauer Punkt am Horizont auszumachen. Langsam kam die klapprige Barkasse in Sichtweite – 80 Kilometer südöstlich von Sizilien. Der Motor war defekt, ein schmächtiger Mann stand in der Mitte und schwenkte verzweifelt ein weißes Tuch. Um ihn herum auf den Planken kauerten 150 syrische Landsleute, seekrank und durchnässt. Ägyptische Menschenschmuggler hatten sie auf hoher See sich selbst überlassen.

Fast 3000 Seelenverkäufer im Vorjahr

2925 derartige Seelenverkäufer sind im vergangenen Jahr an Italiens Küsten gestrandet oder wurden von der Küstenwache geborgen. 43.000 Menschen, mit ihnen 4000 Kinder, ließen sich 2013 auf die lebensgefährliche Tour ein, um in Europa Schutz zu suchen – drei Mal mehr als im Jahr zuvor. Abertausende ertranken. Nun naht der Sommer, das Meer ist ruhiger, die Wetterbedingungen werden besser. Die Flüchtlingszahlen werden wieder steigen.

Von der gesamten südlichen Mittelmeerküste aus versuchen Menschen mittlerweile, auf schrottreifen Gefährten europäisches Territorium zu erreichen. Zwischen 2000 und 4000 Dollar pro Kopf knüpfen ihnen die Schlepperbanden ab. Während die Kunden früher überwiegend junge Männer aus Somalia, Sudan, Eritrea oder Westafrika waren, sind es nun zunehmend syrische Familien. Nach drei Jahren Bürgerkrieg ist die Hälfte aller 22 Millionen Syrer entwurzelt und obdachlos, die größte humanitäre Katastrophe seit dem Genozid von Ruanda vor 20 Jahren. Allein in den nahöstlichen Küstenstaaten Türkei, Libanon, Ägypten, Algerien, Tunesien und Libyen halten sich zwei Millionen Vertriebene auf, die in ihrer zerstörten Heimat keine Zukunft mehr sehen und in den Aufnahmeländern immer weniger gelitten sind.

Auch Somalier und Sudanesen sind darunter

Die wichtigsten Transitrouten aus Somalia, Eritrea und dem Sudan aber führen durch die libysche Wüste. Syrer schlagen sich von Ägypten, Tunesien oder Algerien an die libysche Küste durch, weil von hier aus der Seeweg am kürzesten ist. Andere machen sich von Alexandria aus direkt auf die 1600 Kilometer lange Überfahrt nach Italien, die zwischen zehn und 14 Tage dauert. Mehrmals nahm die ägyptische Küstenwache im letzten Herbst auslaufende Boote unter Feuer. Auch von der Türkei aus versuchen Verzweifelte, Europa über eine der griechischen Inseln zu erreichen. Gegenüber Amnesty International berichtete ein junger Syrer, wie er und seine 30-köpfige Gruppe im vergangenen Oktober von der griechischen Küstenwache nahe Samos in Empfang genommen wurden. „Sie zwangen uns alle auf den Boden des Bootes, trampelten drei Stunden auf uns herum. Dann bauten sie den Motor aus, schleppten uns zurück in türkische Gewässer und ließen uns mitten auf dem Meer alleine.“

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