Messerattacke in Würzburg: Tatmotiv bleibt auch drei Wochen nach Anschlag rätselhaft
Die Polizei ermittelt bis nach Somalia, doch bleiben die Beweggründe von Abdirahman A.J. für den Angriff unklar. Immerhin geht es den Schwerverletzten besser.
Drei Wochen nach dem mörderischen Messerangriff in Würzburg gibt es eine gute Nachricht. Von den fünf Schwerverletzten sei nur noch eine Frau in Krankenhaus in Behandlung, sagte am Donnerstag ein Sprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken dem Tagesspiegel. Die anderen Opfer hätten entlassen werden können. Am Nachmittag des 25. Juni hatte der Somalier Abdirahman J. A. zunächst in einem Woolworth-Kaufhaus drei Frauen erstochen und die elfjährige Tochter einer der Toten lebensgefährlich verletzt.
Auf der Straße attackierte der 24-jährige Mann mehrere Passanten. Drei Frauen und ein Jugendlicher erlitten ebenfalls lebensbedrohliche Verletzungen. Zwei weitere Frauen kamen mit vergleichsweise geringen Wunden davon. Ein kurdisch-iranischer Flüchtling, der sich dem Messerstecher entgegenstellte, stürzte und zog sich eine Schürfwunde zu. Die Polizei stoppte den Attentäter mit einem gezielten Schuss in ein Bein. Die Tragödie von Würzburg löste großes Entsetzen aus. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte, ganz Deutschland trauere. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte die Tat „unfassbar und schockierend“ und ordnete Trauerbeflaggung an. Unklar bleibt allerdings das Motiv des Somaliers. Die Sicherheitsbehörden rätseln, ob der Mann psychisch gestört ist oder aus islamistischem Hass handelte.
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Abdirahman J. A. hatte bei Woolworth nach Angaben eines Zeugen „Allahu akbar“ (Gott ist größer) gerufen. Nach der Festnahme gab er an, seinen „Dschihad“ (heiligen Krieg) verwirklicht zu haben. Nach Informationen des Tagesspiegels ermittelt die nach der Tat beim Landeskriminalamt gebildete „Soko Main“ zu einem möglichen islamistischen Motiv auch über die Bundesrepublik hinaus. Beamte hätten mit der Ehefrau und der Mutter von Abdirahman J. A. telefoniert, hieß es in Sicherheitskreisen. Die Frauen leben in Somalia. Hinweise auf eine islamistische Gesinnung von J. A. gaben sie nicht. Im Zimmer des Somaliers in einem Würzburger Obdachlosenheim fanden sich ebenfalls keine Indizien für ein islamistisches Motiv. Auch das Auslesen der zwei Handys von J. A. brachte keine neuen Erkenntnisse. Sicherheitsexperten sagen, sollte der Somalier eine extremistische Gesinnung haben, hätte er wahrscheinlich islamistische Videos konsumiert. Doch Belege fehlen. Vernommen werden konnte J.A. noch nicht. Sein Anwalt sagt, der psychische Zustand des Mandanten sei dafür zu desolat.
Islamist lobt Täter von Würzburg
In der Islamistenszene ist die Resonanz auf das Attentat minimal. Sicherheitskreise sagten, ein Sympathisant der somalischen Terrormiliz Al Shabaab habe auf Englisch im Internet die Tat von Würzburg begrüßt. Der Mann verwies auf ein älteres Video von Al Shabaab, in dem zu Anschlägen von Einzeltätern aufgerufen wird. Doch auch diese Geschichte ist für die Ermittler kein Beleg für ein politisches Motiv von J. A. Die Generalstaatsanwaltschaft München sagte, es sei ein Sachverständiger beauftragt worden, den Täter psychiatrisch zu untersuchen. Der Somalier war vor der Tat mit aggressivem Verhalten aufgefallen.
In Dresden ermitteln Staatsanwaltschaft und Polizei ebenfalls zu einer Messerattacke mit unklarem Hintergrund. Drei Tage nach dem Angriff in Würzburg bedrohte in der sächsischen Hauptstadt ein Eritreer mit einer Machete und einem langen Messer zwei Kinder. Zwei Iraker griffen ein, der Eritreer rief "Allahu akbar" und stach einem Iraker ins Bein. Dann floh der Täter, die Polizei konnte ihn jedoch bald festnehmen. Womöglich hat der Eritreer die Tat von Würzburg nachgeahmt. Die Ermittler sehen im Fall Dresden bislang kein islamistisches Motiv, wollen aber nichts ausschließen. Der Täter wird vermutlich wie der in der Würzburg psychiatrisch begutachtet.
Lebenslange Haft für Messerangriff in Schweden
Unterdessen hat in Schweden ein Gericht in einem ähnlichen Fall einen Afghanen wegen versuchten Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Der 22-Jährige hatte im März in der Kleinstadt Vetlanda sieben Männer mit Messerstichen verletzt. Der Afghane griff an, weil angeblich ein Unbekannter die Existenz Gottes geleugnet hatte. Die Polizei äußerte zunächst Terrorverdacht. Doch das Motiv ließ sich letztlich nicht klären. Der Afghane selbst sprach von psychischen Problemen. Er wurde untersucht, doch konnte keine psychische Krankheit zum Zeitpunkt der Tat festgestellt werden.