Syriza- Rebellion gegen Tsipras: "Syriza muss zu ihren Prinzipien zurückkehren"
Kampfansage in Griechenland: Die 32 Abweichler der Syriza-Fraktion wollen einen Gegenentwurf zu Tsipras' Kompromiss-Kurs vorlegen. Der Ökonom und Abgeordnete Costas Lapavitsas über das geplante Gegenprogramm, die Gefahr der Spaltung und den "Grexit".
Herr Lapavitsas, Sie und andere 31 Syriza Abgeordnete haben bei der letzten Parlamentsabstimmung gegen die Einigung mit den Geldgebern votiert. Ist diese Front seither gestärkt oder geschwächt worden?
Wir sind stärker geworden, denke ich. Ein großer Teil der Syriza Abgeordneten ist bereit, den Bail-Out-Deal unter keinen Umständen zu unterschreiben. Das sind nicht nicht etwa nur Abgeordnete des linken Flügels, sie stammen aus der gesamten Partei.
Und vertreten Sie auch die Mehrheit der Partei? Oder nur eine Minderheit?
Das ist wirklich schwer zu sagen. Es ist sicherlich nicht halb und halb unter den Abgeordneten, da hat sich die Mehrheit der Führung angeschlossen. Aber beim Rest, den Wählern, den Mitgliedern, das ist wirklich sehr schwer zu sagen. Ich weiß nur, dass es ein großer Anteil ist und er wächst. Bei den jungen Leuten, die nunmal die Zukunft des Landes sind, ist die Anti-Bail-Out-Mehrheit überwältigen. Trotzdem, diejenigen, die Nein sagen, müssen eine schwierige Entscheidung treffen, weil sie in einem Dilemma stecken.
…sie haben Angst, die Partei zu spalten…
Ja, denn es mag absurd klingen: Die einzige wirkliche Opposition gegen das Bail-Out-Programm gibt es innerhalb von Syriza. Wir wollen, dass die Partei zu ihren Prinzipien zurückkehrt. Wir wollen sicherlich keine Spaltung. Die Entscheidung, das Gläubiger-Programm zu akzeptieren, wurde der Partei von der Führung aufgezwungen, das wurde in keinem demokratischen Prozess beschlossen. Aktuell gibt es den Plan, einen Partei-Kongress zu organisieren, aber er wird erst im September stattfinden, nachdem die wichtigen Entscheidungen schon getroffen sind. Das ist ein sehr seltsame Art zu arbeiten für eine demokratische, linke Partei. Aber ehrlich gesagt, die Frage, ob sich Syriza spaltet, wird, so wichtig sie ist, nicht entscheidend für das Land sein. Wirklich wichtig ist, ob es möglich ist, die Dynamik beizubehalten, die von dem starken “Nein” im Referendum am 5. Juli ausging. Dieses Land braucht dringend eine breite Front, die diesem “Nein” eine politische Stimme gibt, nun, da die Syriza-Führung das Nein in ein Ja verwandelt hat. Damit das passiert, brauchen wir ein neues und Alternativprogramm für Griechenland, das den Leuten Hoffnung gibt. Und daran arbeiten wir.
Könnten Sie etwas konkreter werden?
Wir, die wir mit “Nein” gestimmt haben, arbeiten an einem politischen Programm, das das “Nein” in ein entschiedene politische Stimme für die kommende Periode verwandelt. Wir brauchen ein Wirtschaftsprogramm, das ein Gegenmodell zum Bail-out bietet und wir hoffen, bald einige Dokumente veröffentlichen zu können. Es wird Schuldabschreibungen beinhalten, eine Aufhebung der Austeritätsmaßnahmen, Bankenverstaatlichung, eine Strategie für öffentliche Investitionen statt mehr Privatisierungen und eine Restrukturierung des Staates.
..und den Austritt aus der Eurozone?
Es gibt kaum Zweifel daran, dass Griechenland keine Zukunft im Euro hat. Jeder vernünftige Ökonom wird Ihnen sagen, dass es extrem schwierig für Griechenland wird, sich innerhalb der Euro-Zone zu erholen. Also ja, das alternative Programm kann nicht umgesetzt werden, so lange Griechenland Teil der Währungsunion bleibt.
Wenn Sie von einem „einvernehmlichen Austritt“ sprechen, wie Sie es auch schon in früheren Interviews getan haben, dann scheint es, als seien Sie mehr einer Meinung mit Wolfgang Schäuble als mit Alexis Tsipras.
Ich denke nicht, dass Schäuble mit einer Bankenverstaatlichung oder einem Stop der Privatisierungen oder einem öffentlichen Investitionsprogramm einverstanden wäre. Sicher ist aber: Schäuble hat erkannt, dass die Währungsunion in ihrem aktuellem Design* gescheitert ist. Und ich finde auch, unsere Regierung hätte im Detail darüber informieren sollen, was Schäuble angeboten hat, als er von einem “Time out” sprach. Wir hatten nie eine Chance herauszufinden, was er damit gemeint hat, weil unsere Regierung vorgegeben hat, ihn und dieses Angebot zu bekämpfen, nur um dann Schäubles anderes Angebot, den harschen Bail-Out anzunehmen
"Das Programm ist nicht umsetzbar"
Für Tsipras wird ein solches Programm einer “Anti-Bail-Out-Front” wie eine Kriegserklärung seiner eigenen Leute wirken. Zielen Sie auf den großen Knall ab? Und bedeutet das nicht noch viel mehr Unsicherheit und Instabilität für die Griechen?
Es gibt keine Kriegserklärung und keine Absicht, die Partei zu spalten. Der große Knall war viel eher, das dritte Bail-Out Paket abzusegnen, das allem widerspricht, wofür die Partei gestanden hat. Die Einigung zeigt eine komplette aller Versprechen, die Syriza den Menschen gemacht hat. Nach sieben Monaten an der Regierung, hat Syriza es nicht geschafft ein einziges wichtiges Element ihres ursprünglichen Programms umzusetzen. Das ist schon jetzt eine sehr schlechte Situation, aber wenn ein weiteres Bail-Out-Paket wirklich beschlossen wird, dann hat unser Land keinerlei Zukunft mehr. Dieses Programm bietet der Wirtschaft keinerlei Erholungsmöglichkeit, keine Schuldenerleichterung, keine größere Liquiditätszufuhr. Stattdessen bürdet es einer bereits schwachen Wirtschaft noch mehr Steuern auf. Das ist lächerliche Wirtschaftspolitik, anders kann man es nicht beschreiben.
Tsipras könnte auf vorgezogene Neuwahlen im Herbst abzielen. Dann ist es nur wahrscheinlich, dass diejenigen, die sich jetzt gegen den Regierungskurs stellen, nicht wieder für Syriza für das Parlament kandidieren dürfen. Fürchten Sie das?
Ich persönlich fühle gar keinen Druck. Ich – und auch viele andere – bin Syriza beigetreten, weil ich an die Werte der Partei glaube, an das, was ich umzusetzen versprochen habe und nicht, wegen einer Karriere als Abgeordneter. Falls sich Syriza in eine Pro-Bail-out-Partei verwandeln sollte, was noch nicht geschehen ist, dann will ich auf diesem Wahlzettel auch gar nicht auftauche. Aber denken Sie nicht, dass es einfach für die Parteiführung wird, Neuwahlen anzusetzen. Das Land will keine Neuwahlen und es wird sehr hart für diejenigen, die mit "Ja" gestimmt haben, in den Wahlkampf zu ziehen. Sie können vielleicht sagen, sie mussten dem Bail-Out zustimmen, weil es keinen anderen Weg gab, das Land zu retten. Aber das ist kein Programm, um eine Wahl zu gewinnen. Eigentlich ist es für uns, die wir mit "Nein" gestimmt haben, sehr viel leichter. Wir sind unseren Prinzipoien true geblieben und dem, was wir von Anfang an gesagt haben.
Sehen Sie eine realistische Chance, das Bail-Out Programm noch zu stoppen? Tsipras wird es mit den Stimmen der Opposition auch dann durchs Parlament bekommen, wenn noch mehr Syriza-Abgeordnete mit "Nein" stimmen sollten.
Ich denke nicht, dass der Kampf mit der reinen Abstimmung vorbei ist. Dieses Programm ist unmöglich zu implementieren. Es ist nicht durchsetzbar. Wenn die Regierung zum Beispiel die höheren Steuern für Bauern durch das Parlament bringt, dann wird es große Aufstände geben, kleine Betriebe werden dadurch schlicht zerstört. Ich kenne mich damit aus, denn mein Wahlkreis ist sehr stark landwirtschaftlich geprägt. Und das weiß die Syriza-Führung auch sehr genau. Das Programm durchzusetzen, ist ein Selbstmord für die Partei und das Land. Es wird also noch sehr viel mehr Widerstand geben und das macht mich optimistisch. Vielleicht kann Syriza zu seinen Prinzipien zurückkehren. Ich und viele andere werden bis zum Schluss dafür kämpfen.
Das Interview wurde auf Englisch geführt. Das Original lesen Sie hier.
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