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Der Ausschnitt eines YouTube-Videos vom 26.07.2012 zeigt eine Versammlung von syrischen Oppositionellen in Aleppo.
© dpa
Update

Bürgerkrieg: Syriens Wirtschaftsmetropole Aleppo im Visier

Die Stadt ist für beide Seiten enorm wichtig: Die Regierungstruppen von Baschar al Assad und die Rebellen rüsten sich für den Kampf um Aleppo. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon befürchtet ein Blutbad

Lange hatte die nordsyrische Handelsmetropole Aleppo abseits der Revolution gestanden. Während in Deraa und Homs gekämpft und gestorben wurde, ging das Leben in der reichen Handelsmetropole nahe der türkischen Grenze, deren Altstadt zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, relativ ungestört weiter. Die ethnisch gemischte Händlerschicht sah ihre Geschäfte durch den Aufstand eher gefährdet und hielt daher still. Doch nun rüsten sich in Aleppo Aufständische und Regierungstruppen, die auf beiden Seiten aus anderen Landesteilen zusammengezogen werden, für die Schlacht um Aleppo, die in der staatlichen Tageszeitung „Al Watan“ als „Mutter aller Schlachten“ bezeichnet wurde. So nannte der irakische Diktator Saddam Hussein nach seinem Überfall auf Kuwait den bevorstehenden zweiten Golfkrieg gegen eine internationale Koalition.

Angesichts einer massiven Truppenkonzentration in und um Aleppo wächst international die Furcht vor einem weiteren Blutbad. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon appellierte an die Regierung von Präsident Baschar al-Assad, die Angriffe auf die Stadt einzustellen. „Ich bin über die zunehmende Gewalt in Aleppo sehr besorgt“, sagte Ban am Freitag nach einem Treffen mit dem britischen Außenminister William Hague in London. Die Regierungstruppen müssten ihre Offensive stoppen.

Die französische Regierung warf dem Assad-Regime vor, in Aleppo ein weiteres Massaker anrichten zu wollen. Der Sprecher des Pariser Außenministeriums, Bernard Valero, sagte der Nachrichtenagentur AFP, „indem er schweres militärisches Gerät um Aleppo zusammenzieht, bereitet Baschar al-Assad ein neues Blutbad am eigenen Volk vor“. Er forderte die syrischen Regierung auf, den Einsatz schwerer Waffen einzustellen und die Gewalt zu beenden.

Für das Regime ist Aleppo als Handelszentrum wichtig, wo es viele Anhänger in der Kaufmannschaft hat. Die Rebellen hingegen sehen Aleppo als Möglichkeit, eine „Schutzzone“ im Norden zu errichten – nach dem Beispiel von Bengasi im Libyen-Konflikt. Eine solche befreite Stadt ist wichtig als Rückzugsort für Flüchtlinge und vor allem für Mitglieder der Staatsführung oder Soldaten, die zur Opposition überlaufen wollen.

Während Syriens Regierung unter Staatschef Baschar al Assad zuletzt immer neue Truppen nach Aleppo bringen ließ, bereiten in der zweitgrößten Stadt des Landes auch hunderte Aufständische den bevorstehenden Kampf vor. Mit Sandsäcken, Fahrzeugen und anderen Materialien errichten sie im weitgehend von ihnen selbst kontrollierten südwestlichen Viertel Salaheddin Straßensperren. In den Kellern von Schulen und Moscheen bauen sie Notlazarette zur Versorgung Verletzter auf.

Schon seit Tagen lässt Assad die Rebellen in Aleppo durch die Armee mit Kampfhubschraubern und am Boden attackieren. Aus Salaheddin wurden nach Angaben der Rebellen inzwischen alle Zivilisten in Sicherheit gebracht. Neben Helikoptern setzt die Armee dort und in anderen Stadtteilen bereits seit geraumer Zeit auch Panzer und Kampfjets gegen die Aufständischen ein.

Bildergalerie: Blutiger Aufstand gegen Assad

Die Rebellen verfügen bestenfalls über eine Reihe von Sturmgewehren, Panzerfäusten und selbst gebauten Bomben. Zur Vorbereitung auf den Kampf üben sie Angriffe auf Kontrollposten und trainieren Kampftechniken. Um sich Mut zu machen, stimmen sie inmitten des von Assads Hubschraubern verursachten Lärms immer wieder Kampfgesänge an.

Unterdessen bringt das Internationale Rote Kreuz (IKRK) einen Teil seiner Leute in Sicherheit. Die meisten der in der Hauptstadt Damaskus stationierten ausländischen Helfer sollen vorübergehend in die libanesische Hauptstadt Beirut gebracht werden, sagte ein Sprecher der Schweizer Nachrichtenagentur sda am Freitag in Genf. Grund für den Rückzug sei die verschlechterte Sicherheitslage in Damaskus und anderen Teilen Syriens. Etwa 150 Menschen arbeiten in Damaskus für die Organisation.

Im Schatten der Gefechte um Damaskus und Aleppo etabliert sich im östlichen Norden Syriens langsam eine kurdische Zone. Syrische Regierungstruppen haben sich kampflos aus dem Gebiet zurückgezogen, um sich auf Damaskus und Aleppo zu konzentrieren. Doch auch die „Freie Syrische Armee“, die bewaffnete Opposition gegen Assad, ist im kurdischen Grenzgebiet zwischen der Türkei und dem Irak nicht präsent. Denn es gibt einen klaren Deal zwischen der syrischen Opposition und der kurdischen Regierung im Nordirak. „Ich glaube, dass unser kurdischer Traum in Erfüllung geht“, sagt Sinem Chalil. Er ist Mitglied des Obersten Kurdischen Komitees, einer Koalition der syrisch-kurdischen Opposition und der kurdischen Regierung in Erbil im Nordirak.

Mehr als sechs syrische Orte stehen inzwischen unter kurdischer Kontrolle, berichtete die irakische Zeitung „Rudaw“ am Donnerstag. Kurden stellen etwa zwei Millionen Menschen in Syrien, neun Prozent der Einwohner. Die meisten von ihnen sind sunnitische Muslime, kleine Minderheiten sind Christen oder Alawiten. „Die Freie Syrische Armee wird nicht in die kurdischen Gebiete kommen, und die Kurden werden nicht in die arabischen Gebiete kommen“, sagt Nuri Brimo, Sprecher der Demokratischen Kurdischen Partei von Syrien.

Warum das syrische Staatsfernsehen von vielen nicht mehr ernst genommen wird

Der Ausschnitt eines YouTube-Videos vom 26.07.2012 zeigt eine Versammlung von syrischen Oppositionellen in Aleppo.
Der Ausschnitt eines YouTube-Videos vom 26.07.2012 zeigt eine Versammlung von syrischen Oppositionellen in Aleppo.
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Doch die Abmachungen zwischen der kurdischen Regionalregierung im Irak und den syrischen Kurden gehen noch weiter: Massud Barsani, der Chef der Kurden-Regierung im Nord-Irak, hält die Fäden fest in der Hand. Der 65-jährige Politiker ist der Mann der amerikanischen Regierung in der Region. Die autonome Region macht sich zunehmend von Bagdad frei. Am 11. Juni schloss Barsani mit den syrischen Kurden ein Abkommen, dass die „befreiten“ Kurden-Städte in Syrien gemeinsam verwaltet würden. Die kurdische Regionalregierung könnte damit die Errichtung eines Kurden-Staates vorbereiten. Wer dieser Tage in Syrien das Staatsfernsehen einschaltet, muss sich die Frage stellen, ob der blutige Konflikt im Land wirklich Realität ist. Mehr als 16 Monate nach Beginn der Revolte gegen Staatschef Baschar al-Assad veranlassten erst der tödliche Anschlag vom 18. Juli auf den engsten Führungszirkel und die Ausweitung der Kämpfe auf Damaskus den Sender, über die bedrohlichen Ereignisse zu berichten - wenn auch nur minimal. Während Syrien brennt, wird der Zuschauer mit Seifenopern, Diätshows oder Aerobic-Programmen abgespeist. Nach dem Anschlag, bei dem vier herausragende Vertreter der Regierung Assad starben, wurde der Ton im Staatsfernsehen dann etwas ernster. Erstmals waren die Leichen von Rebellen zu sehen, daneben Bilder von Soldaten, die stolz erklärten, die Stadtviertel der Hauptstadt „auf Geheiß der Einwohner von Terroristen gesäubert“ zu haben. Der Öffentlichkeit sollte einmal mehr versichert werden, dass sich Syrien einer „Verschwörung“ ausgesetzt sehe und dass „Terroristen“ Chaos verbreiten wollten.

Video: Damaskus und Aleppo werden schwer umkämpft

In den Tagen danach wurde der Hurrapatriotismus heftiger: Zu sehen sind kampferprobte Soldaten, die ein Spezialtraining absolvieren, unterlegt sind die Bilder von den „mutigen Streitkräften“ mit patriotischer Musik. Die arabischen Satellitensender Al-Dschasira und Al-Arabija werden von der syrischen Führung wegen ihrer kontinuierlichen Berichterstattung über den Konflikt geschmäht, der Slogan des syrischen Staatsfernsehens lautet: „Unsere Stimme ist lauter, unser Bild ist klarer.“

Kurz vor Beginn der Gefechte in informierte das Staatsfernsehen den Zuschauer in einem Bericht auf Englisch über den „so bezaubernden Sommer in Damaskus, dank der Jacaranda-Bäume“. Auch als die Kämpfe im Stadtteil Midan wüteten, versicherte das Staats-TV, dass „alles in Ordnung“ sei. Ein immerhin vor Ort entsandter Reporter interviewte sichtlich eingeschüchterte Autofahrer und bewertete die Situation danach als „ruhig“ - als im Hintergrund Explosionen und Schüsse zu hören waren.

Inzwischen scheint das Staatsfernsehen - von den Regierungsgegnern oft verhöhnt - auch von Assad-Unterstützern teilweise nicht mehr ernst genommen zu werden. „Wir unterstützen auf jeden Fall die Regierung und die Armee, aber die Sender sagen definitiv nicht die Wahrheit“, sagt der Lebensmittelhändler Bassam aus Damaskus. Ahmed, ein nach Beirut geflohener junger Syrer, sagt: „Sie wollen uns für dumm verkaufen.“ In den sozialen Netzwerken im Internet kursieren bereits Witze über an Absperrungen patrouillierende Soldaten, die Zivilisten vorwerfen, sich in Gefahrenzonen begeben und die Situation verkannt zu haben, weil sie ausschließlich das Staatsfernsehen verfolgt hatten. Eine syrische Regierungsanhängerin in Beirut räumt ein: „Sie übertreiben - sie sprechen weder von den Demonstrationen noch über die Opposition.“ (an/dpa/AFP)

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