Brand in Aleppo: Syriens Geschichte liegt in Schutt und Asche
Seit drei Tagen brennt das historische Zentrum von Aleppo. Aber auch anderswo in Syrien wird Kulturerbe geplündert und zerstört.
Das Feuer prasselt, die Flammen züngeln die Wände hoch, dicker Qualm wabert durch die berühmten Gewölbe, Schreie und Schüsse sind zu hören. Ein weiteres Video zeigt schwarze Rauchwolken über der Altstadt – seit Samstag brennt das historische Zentrum von Aleppo. Rund tausend Geschäfte liegen nach Aussagen von Anwohnern bereits in Schutt und Asche. Zwölf Kilometer lang ist der historische Basar, der zu den am besten erhaltenen im gesamten Orient und zu den größten Touristenattraktionen zählte. Mittelalterliche Häuser und Koranschulen, Karawansereien und Paläste sowie eine Moschee aus der Omayyadenzeit bilden ein einmaliges urbanes Ensemble, das 1986 Unesco-Weltkulturerbe wurde und dem jetzt die völlige Vernichtung droht.
Denn in dem Labyrinth aus Gassen fehlt es an Löschwasser, weil das Wassernetz Aleppos nach einem Bombentreffer auf eine Hauptleitung kaum noch funktioniert. Scharfschützen zielen auf Helfer, die sich mit Handfeuerlöschern dem Souk zu nähern versuchen. „Es ist ein Desaster. Das Feuer breitet sich aus und bedroht nun auch alle übrigen Geschäfte“, erklärte der Aktivist Ahmad al-Halabi gegenüber der BBC. Der Direktor des Unesco-Weltkulturerbezentrums, Kishore Rao, sprach von einem „großen Verlust und einer Tragödie“. Nach Angaben der in London ansässigen „Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ beschuldigen sich Armee und Rebellen gegenseitig, die Katastrophe ausgelöst zu haben.
Bildergalerie: Der Souk in Flammen - und wie er vorher aussah
30 000 Menschenleben hat der Bürgerkrieg in Syrien mittlerweile gekostet. Drei Millionen Syrer sind auf der Flucht, unersetzbare Kulturdenkmäler werden geplündert oder zerstört, weil Armee und Rebellen sie als Geschützstellungen missbrauchen. In der mittelalterlichen Zitadelle von Aleppo haben sich Regierungssoldaten verschanzt, ebenso in der aus dem 12. Jahrhundert stammenden Omayyaden-Moschee. Die Zitadelle ist seit Wochen heftig umkämpft, hinter den Schießscharten liegen Scharfschützen des Regimes auf der Lauer. Der Torturm wurde von einer Rakete getroffen. Das historische Dampfbad in der Altstadt wiederum dient bewaffneten Assad-Gegnern als Depot und Schlaflager.
Vor drei Tagen erst hatten die Rebellen die Entscheidungsschlacht für Aleppo ausgerufen. Die heftigen Kämpfe jedoch brachten kaum Bewegung in die Fronten, die sich quer durch die alte Handelsmetropole mit ihren 2,5 Millionen Einwohnern ziehen. Nichts mehr bleibt von der rasenden Gewalt verschont. In der Kreuzritterfestung Krak des Chevaliers, einer der bekanntesten mittelalterlichen Burgen überhaupt, klaffen dicke Löcher. Rebellen halten die Anlage aus dem 12. Jahrhundert besetzt, Assads Armee schießt mit Artillerie. Auch in den Ruinen der hellenistisch-römischen Oasenstadt Palmyra wird gekämpft. Die 300 Meter lange Prachtallee mit ihren korinthischen Säulen, dem Amphitheater und der Umfassungsmauer des Baal-Tempels ist durch Einschüsse gezeichnet. Flüchtlinge berichteten, das örtliche Museum und Nekropolen im Tal der Toten seien geplündert worden. Auf einem Video von Mitte August ist ein Pick-up zu sehen mit sieben antiken Skulpturen auf der Ladefläche, während Soldaten danebenstehen und schwatzen. Auch in Bosra im Süden, welches die wohl am besten erhaltene römische Arena im Mittelmeerraum besitzt und in den sogenannten Toten Städten aus byzantinischer Zeit im Norden wird seit Monaten gekämpft. Ähnlich dramatisch ist die Lage der 25 Regionalmuseen. Viele liegen in Kampfgebieten.
Die erbitterten Kämpfe in Syrien in Bildern:
Ein Video aus Apameia zeigt einen Panzer, der auf antike Säulen aus der Zeit Alexanders des Großen schießt. Doch nicht nur Soldaten und Milizen des Regimes, auch Rebellen beteiligen sich offenbar am Ausrauben antiker Stätten. So zitiert die Londoner „Times“ einen libanesischen Antiquitätenhändler, die Assad-Gegner hätten inzwischen spezielle Trupps für Raubgrabungen aufgestellt. Die britische Archäologin Emma Cunliffe, Mitarbeiterin des „Global Heritage Fund“, legte kürzlich den ersten ausführlichen Bericht zur Lage der archäologischen Denkmäler vor. Alle sechs Weltkulturerbestätten Syriens hätten „potenziell irreversible“ Schäden erlitten, lautete ihre bittere Bilanz. „Aus archäologischer Sicht ist Syrien ein Katastrophengebiet.“