Bomben gegen den IS: Syrien lässt sich nicht kitten
Auch Frankreich will sich nun an der Allianz gegen die Terrormiliz IS beteiligen. Europa sollte militärische Intervention und die Aufnahme von Flüchtlingen als komplementär begreifen. Ein Kommentar.
Die Innen- lässt sich von der Außenpolitik nicht trennen, die Frage der Flüchtlinge nicht von der Lage in Syrien. So wie François Hollande die Prioritäten setzt, muss Deutschland erkennen: Der Wunschpartner in der EU hat ganz andere Vorstellungen von der gemeinsamen europäischen Antwort. Er kündigt mehr Einsätze der französischen Luftwaffe gegen den „Islamischen Staat“ (IS) an. Fluchtursachen zu bekämpfen, rangiert für ihn vor der Aufnahme Hilfsbedürftiger. Er bangt um die Wiederwahl. Als dezidiert „Linker“ war er angetreten. Heute redet er im selben Ton wie die nationale Rechte in Polen und Ungarn. Die sieht die Ex-Kolonialmächte in der Pflicht, den Krieg in Syrien zu beenden, damit weniger Menschen fliehen.
Deutschland ist dabei, vom Antreiber, der solidarische Lastenteilung verlangt, zum Getriebenen zu werden, dem die EU-Partner eine Debatte über militärisches Eingreifen in Syrien aufzwingen. Was Fragen nach dem Beitrag der Bundeswehr und nach dem Ausmaß der Operation nach sich zieht: „humanitäre Intervention“ zur Sicherung von Schutzzonen oder Krieg zum Regimewechsel?
Erfahrungen der vergangenen Jahre sollten Europa Bescheidenheit lehren. Es gab einzelne Erfolge, zum Beispiel im Norden Malis, wo französische Truppen den Vormarsch von Islamisten mit beherztem Eingreifen stoppten. Der Bürgerkrieg in Syrien ist aber schon lange nicht mehr regional begrenzt. Die Grausamkeiten des IS haben den Druck erhöht, doch schon davor sind Zehntausende vor den Fassbomben und dem Giftgas des Assad- Regimes geflohen. Eine humanitäre Intervention mit UN-Mandat, die Schutzzonen sichert, kann das Leid lindern. Sie wird den Menschen keine Sicherheit an ihren Heimatorten bringen.
An allen Fronten gleichzeitig
Um ihnen Hoffnung auf eine Zukunft zu Hause zu machen, müsste die Welt den IS vertreiben, Assad stürzen und den Aufbau einer neuen Ordnung unterstützen, die sowohl Stabilität als auch die Grundrechte garantiert. Das wird mehr als ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen, wenn es überhaupt gelingt. Bisher gibt es keine internationale Strategie mit diesem Ziel. Russland will Assad an der Macht halten, die Türkei ihn stürzen, ohne die Kurden zu stärken; für den Iran und Saudi-Arabien ist es ein Ringen um Einflusssphären. Wie die meisten Staaten im Mittleren Osten ist Syrien ein ethnischer und religiöser Flickenteppich, dessen Grenzen in der Kolonialzeit künstlich gezogen wurden. Wenn so ein Gebilde zerfällt, lässt es sich nicht einfach wieder zusammenkleben, nicht mal unter einer demokratischen Ordnung. Das lehrt die Bilanz der Einsätze in Afghanistan und im Irak.
Erstens sollte Europa Hollandes Interventions- und Merkels Aufnahme-Strategie nicht als Alternativkonzepte begreifen, sondern als komplementär; beide sind nötig, aber nicht die Lösung. Und zweitens die Grenzen des Leistbaren realistisch definieren. Weder kann die EU Syrien rasch befrieden noch seine 21 Millionen Bürger aufnehmen. Bisher ist ein gutes Viertel geflohen, zum Großteil in Nachbarländer. Europa muss mehreres zugleich versuchen: den Krieg eindämmen und Schutzzonen einrichten, damit die Menschen bleiben. Den Nachbarländern helfen, weil die Versorgung in der Region sinnvoller ist als bei uns. Die aufnehmen, die zu uns kommen, aber ohne lautes Selbstlob, das wie ein Anwerbeprogramm klingt. Und international an einer Zukunft ohne IS und ohne Assad bauen.