CSU-Politikerin wird wohl nicht Fraktionschefin: Superministerium für Aigner?
Ilse Aigner muss wohl doch auf den Fraktionsvorsitz der CSU verzichten. Sie soll sich in München lieber als „Superministerin“ bewähren – und Parteichef Seehofer den Rücken freihalten.
Für manche galt es schon als ausgemacht. Ilse Aigner, die in den Freistaat zurückgeholte und als Seehofer-Nachfolgerin gehandelte Verbraucherministerin, würde ihren Wartestand in der zweitmächtigsten Position des Landes verbringen: als Fraktionsvorsitzende der absoluten CSU-Mehrheit im Landtag.
Aus Fraktionskreisen verlautete nun aber, dass es im Münchner Personalgerangel wohl doch anders kommen wird. Aigners Erzrivale, der ebenfalls auf Machtzuwachs spekulierende Finanzminister Markus Söder, habe derart Druck gemacht, dass Parteichef Horst Seehofer inzwischen zu einer anderen Lösung tendiere. Der Fraktionsvorsitz soll an einen Seehofer-Vertrauten ohne größere Karriere-Ambitionen gehen: den bisherigen Chef der Staatskanzlei, Thomas Kreuzer. Kronprinzessin Aigner würde im Gegenzug mit einer Art Superministerium abgefunden. Sie bekäme das Ressort Wirtschaft, das um die Zuständigkeit für das Riesenthema Energiewende erweitert würde. Und womöglich sogar noch um die Bereiche Medien oder Straßenverkehr. Die Pakete mit den Zuständigkeiten würden noch geschnürt, heißt es.
Seehofer bestritt, dass eine Vorentscheidung gefallen ist. Das Personaltableau werde erst am kommenden Dienstag festgelegt, sagte er vor der konstituierenden Sitzung der Landtagsfraktion. Die hat sich schon mal vergrößert, von 92 auf 101 Abgeordnete. Und Seehofer ist es wichtig, seine Personalfragen schnell zu klären, damit er sich auf die schwierigen Koalitionsverhandlungen in Berlin konzentrieren kann.
Söder hat sich auch schon beworben
Auch aus Aigners Umfeld war zu hören, dass die Neue in München lieber ein „Gestaltungsressort“ übernehmen würde als den vergleichsweise bequemen Fraktionsvorsitz. Einen Anspruch auf Letzteren habe sie ohnehin nie geltend gemacht – anders als Söder, der frech getwittert hatte, dass die amtierende Fraktionschefin Christa Stewens als Umweltministerin ja schon einmal seine Vorgängerin gewesen sei.
Im wirtschaftsstarken Bayern gilt das Wirtschaftsressort schon ohne Zusatzausstattung als wichtige Schaltstelle. Mit dem mächtigen Bezirk Oberbayern im Rücken und von ihrer Person her hätte Aigner in diesem Amt ein ganz anderes Standing als ihr farblos gebliebener FDP-Vorgänger Martin Zeil. Wenn dem Ressort noch die Energiepolitik zugeschlagen würde, stünde die Chefin besonders im Fokus. Freilich ohne Beliebtheitsgarantie. Aigner müsste sich für steigende Strompreise rechtfertigen, sie hätte sich mit Bürgerinitiativen gegen Windräder und Stromtrassen herumzuschlagen. Als Agrar- und Verbraucherministerin sei sie aber Gegenwind gewohnt, sagen Vertraute der 48-Jährigen. „Ohne würde ihr was fehlen.“ Und wenn sie den Job hinbekomme, hätte sie sich „endgültig für Höheres empfohlen“.
Seehofer will Ruhe in der Fraktion
Für Seehofer hätte die Lösung einen dreifachen Vorteil. Er könnte Aigners Beliebtheit auf einem konfliktträchtigen Politikfeld nutzen. Er hielte seine Möchtegern-Nachfolger weiter in produktiver Konkurrenz. Und er hätte mit Thomas Kreuzer auch einen verlängerten Arm in die ihm bisher keineswegs verlässlich folgende Landtagsfraktion. Der 54-Jährige wäre, wenn man so will, seine Gerda-Hasselfeldt-Lösung für München. Seit Seehofer in Berlin eine auf Ausgleich bedachte und nicht mehr groß am eigenen Vorankommen interessierte Politikerin als Landesgruppenchefin hat, gibt es kaum noch Reibereien mit den Bundestagsabgeordneten.
Kreuzer wäre eine „organische Lösung“, heißt es in der Fraktion. Der Kemptener war bereits acht Jahre ihr Vizevorsitzender, die Abgeordneten schätzen ihn und seine Kompetenz. Außerdem ist er Schwabe, und dieser Volksstamm ist nach dem erzwungenen Abgang des schwäbischen Fraktionschefs Georg Schmid im Zuge der Verwandtenaffäre in Regierung und Fraktion momentan unterrepräsentiert. Es dominieren die Altbayern (Aigner) und Franken (Söder).
Doch andere in der Fraktion riechen auch den Braten. Kreuzer sei „ein Supertyp“, sagt einer von den dort nicht ganz Unwichtigen. Gleichzeitig aber sei er „ein tausendprozentiger Befehlsempfänger seines Herrn“. Kreuzers Wahl würde die „Gleichschaltung der Fraktion mit Seehofer“ bedeuten. Es sei zu hoffen, dass Söder den Mut habe und gegen ihn antrete.
Rainer Woratschka