NSA-Abhöraffäre: Ströbele sonnt sich in der Aufmerksamkeit
Nach seinem Scoop berichtet Hans-Christian Ströbele vor der versammelten Hauptstadtpresse über das Treffen mit Snowden. Und sagt, was er der Kanzlerin nicht sagen kann.
Fast eine Stunde redet Hans-Christian Ströbele nun schon. Über seinen Besuch in Moskau, seine Reise zu Edward Snowden, einen Brief, den er vor der Pressekonferenz hier in Berlin hat verteilen lassen, von ihm und Edward Snowden unterschrieben, dann passiert es: Sein Telefon klingelt. Laut. "Kennt jemand die Nummer der Kanzlerin", fragt der Grünen-Politiker grinsend. Eine Antwort erhält er nicht. Aber es würde wohl auch keinen Unterschied machen.
"Ich habe ihre Nummer nicht, aber ich würde ihr - bei allem notwendigen Respekt - auch nichts anderes erzählen." In vielen Details habe er Vertraulichkeit mit Snowden vereinbart: "Auch dem Papst würde ich nichts anderes erzählen, und der hätte auch Grund, mal bei Snowden nachzufragen."
Ströbele, der bei der Bundestagswahl für die Grünen mal wieder das einzige Direktmandat in Friedrichshain-Kreuzberg gewonnen hat, inszeniert sich mit großer Freude. Zur Bundespressekonferenz kommt er mit Fahrrad und wehendem roten Schal. Auf seinem Stoffbeutel steht "Ich bin ein Entscheidungsträger", vertrieben wird er von einer Initiative für die Legalisierung von Haschisch.
Ströbele genießt die volle Aufmerksamkeit. Ein echter Scoop ist ihm gelungen. Von Beginn an habe er dafür geworben, Snowden selbst zu befragen. Doch niemand habe darauf reagiert. "Dann musste ich es selbst machen", sagt er. Im Juli habe es schon einmal so ausgesehen, als würde es mit einem Treffen klappen. Doch daraus wurde dann nichts: "Ich habe auf gepackten Koffern gesessen." Sogar einen Dienstreiseantrag habe er beim Bundestagspräsidenten gestellt, der sei aber abgelehnt worden.
Erst Ende vergangener Woche sei dieser Kontakt dann wieder zustande gekommen. Da habe er die Gelegenheit beim Schopfe gepackt. Zwei deutsche Journalisten begleiteten ihn nach Moskau. Auch ein Franzose sollte eigentlich mitkommen, aber das habe kurzfristig nicht geklappt. In der russischen Hauptstadt seien er und seine Begleiter vom Hotel aus mit dem Auto zum "Zielort" gebracht worden, das habe einige Zeit gedauert. Dort habe er dann Snowden getroffen, einen "gesunden jungen Mann". Snowden spreche sehr ernst und gefasst über seine Gründe, warum er sich zu seiner "Veröffentlichungskampagne" entschlossen habe. Ihm sei bewusst, welches Risiko er eingehe.
Laut Ströbele war Snowden nicht nur Administrator des amerikanischen Geheimdienstes. Er sei auch operativ tätig gewesen, und zwar von 2005 bis 2008 für die CIA und danach für die NSA, deren Überwachungstechniken er dann in diesem Frühjahr aufdeckte. Snowden habe seine Bereitschaft bekundet, über die seine Kenntnisse im NSA-Skandal auszusagen. Am liebsten vor dem US-Kongress. Aber er sei auch bereit nach Deutschland zu kommen, wenn hier für seine Sicherheit garantiert werde. Gegenüber der Variante von einem Ermittlungsbeauftragten in Russland befragt zu werden, habe Snowden "erhebliche Vorbehalte". Der frühere NSA-Mitarbeiter hat dort noch bis kommenden Sommer Asyl. Einen Brief Snowdens an die Bundesregierung hat Ströbele jetzt schon mitgebracht, den er ebenfalls präsentiert.
Snowden sei in hohem Maße interessiert, Fehlentwicklungen und Straftaten aufzuklären. Für diese Aufklärungsbemühungen müsse man dem Amerikaner erst einmal dankbar sein, findet Ströbele. Und appellierte dann an die Staatengemeinschaft, in einem solchen Fall "den Strafanspruch des Staates zurücktreten" zu lassen, "um den riesigen Missstand aufzuklären". Es müsse "eine humanitäre Lösung" für Snowden geben. Dafür sei aber "politischer Wille und Mut" nötig.
Ströbele sagt, er habe in Moskau weder im Detail Sachfragen zur Abhöraffäre geklärt noch Dokumente eingesehen. Er könne auch nicht über jede Einzelheit des rund dreistündigen Gesprächs berichten. Aus Sicherheitsgründen könne er ebenfalls nicht viel zu Lebenssituation und Aufenthaltsort Snowdens sagen. Nur so viel: Er wollte von Snowden wissen, ob er in Moskau auch mal shoppen gehen könne - "da hat er Ja gesagt."