Kramp-Karrenbauer in Washington: Streit ums Geld und um Militäreinsätze
Antrittsbesuch im Pentagon: Der US-Verteidigungsminister erneuert die Forderung nach höheren Militärausgaben.
Antrittsbesuche deutscher Verteidigungsminister in Washington folgen mittlerweile einem eingespielten Ritual. Der Hausherr im Pentagon ermahnt den Gast aus Berlin gleich beim Empfang, als Vertreter der zweitstärksten Volkswirtschaft des Westens mehr Geld für die Verteidigung auszugeben. Die Gescholtenen versprechen, ihr Möglichstes zu tun, schränken aber gleich im nächsten Satz ein, dass man das Zwei-Prozent-Ziel der Nato nicht allein in Dollar und Euro bemessen dürfe.
Mark Esper ist frisch im Amt, Annegret Kramp-Karrenbauer auch. Doch das Ritual kennen beide schon gut. Man müsse übers burden sharing reden, die Teilung der Lasten im Verteidigungsbündnis, sagt der Amerikaner am Montagabend in Washington. „Deutsche Führung ist entscheidend. Das ist wichtiger als je zuvor“, betont er. Die Deutsche versichert hinterher, für sie seien die zwei Prozent „politisches Ziel“ – wobei es aber nicht allein um Geld gehen könne, sondern auch um Fähigkeiten und die Bereitschaft, sich an Einsätzen zu beteiligen.
So hat das ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen auch immer formuliert und deren Vorgänger Thomas de Maizière ebenfalls. Amtlich hat sich Deutschland gegenüber der Nato nur bereit erklärt, die Militärausgaben bis zum Stichjahr 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttosozialprodukts anzuheben. Selbst davon ist die aktuelle Haushaltsplanung allerdings noch weit entfernt. In diesem Jahr liegt der Wehretat bei 1,36 Prozent, die mittelfristige Finanzplanung kalkuliert aber mit einem sinkenden Niveau. Der Streit ums Geld ist nicht der einzige Punkt, in dem die Deutsche und der Amerikaner nur schwer zusammenkommen. Besonders delikat ist die Interessenlage am Golf. Kramp-Karrenbauer hatte als eine der ersten Amtshandlungen die US-Forderung abgelehnt, an einer Marinemission zur Sicherung der Seewege in der Straße von Hormus teilzunehmen. An einer eigenen europäischen Mission, versichert sie nun noch einmal, würde sich Deutschland beteiligen.
Allerdings: „Wir sind nicht Teil einer Strategie von maximum pressure“ – also von Donald Trumps Politik des maximalen Drucks auf Iran. Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben sich zwar gerade erst offiziell Trumps Einschätzung angeschlossen, dass der jüngste Raketenangriff auf Saudi-Arabiens größte Ölraffinerie von Iran ausgehe. Aber die Europäer halten die Kündigung des Atomabkommens durch den US-Präsidenten und seine Sanktionspolitik weiter für den falschen Umgang mit der Führung in Teheran. Der Vertrag sei sicher nicht der beste, bekräftigte Kamp-Karrenbauer, aber besser als keiner. Immerhin habe sie aus dem Gespräch den Eindruck mitgenommen, dass die USA sich bemühten, niemandem einen Vorwand für Eskalation zu liefern.
Gefreut haben dürfte ihren Gastgeber immerhin, dass der deutsche Einsatz in der Militärkoalition gegen die Terrorgruppe „Islamische Staat“ weitergeht. Er tut es mit Rücksicht auf Widerstände in der SPD freilich mit Abstrichen: Das Mandat für die „Tornado“-Aufklärer läuft nur noch bis zum nächsten März. Kramp-Karrenbauers Erfolg ist insofern nur ein halber. Die Verteidigungsministerin verwies erneut darauf, wie schwer die deutschen Luftbildauswerter zu ersetzen seien – ein dezenter Hinweis Richtung Heimat, dass sie bei der Suche nach Ersatz womöglich nicht fündig wird.
Beim Rest der Gesprächsthemen blieb alles beim Bekannten. Die Deutsche verteidigte die Entscheidung, bei der Suche nach Ersatz für die „Tornado“-Jagdbomber das US-Modell F-35 außen vor zu lassen und auf eine europäische Neuentwicklung gemeinsam mit Frankreich zu setzen. Beim Thema Afghanistan bleibt es bei der Sprachregelung, dass man gemeinsam als Nato in das Land hineingegangen sei und nur gemeinsam auch wieder rausgehen werde.
Aber Esper wie Kramp-Karrenbauer wissen, dass ihre gegenseitigen Versicherungen wenig wert sind, wenn der Stratege im Weißen Haus anderes beschließt. So wie Trump vor Kurzem die Friedensgespräche mit den Taliban kurzerhand für beendet erklärte, so kann er morgen zu dem Schluss kommen, dass für seinen inoffiziell längst eröffneten Wahlkampf um die zweite Amtszeit ein Rückzug aus Afghanistan gerade recht käme. Immerhin weiß Kramp-Karrenbauer jetzt, dass Esper, der Deutschland als US-Soldat in Grafenwöhr kennenlernte, kein Hardliner ist. „Dankeschön“ twitterte er der Kollegin zum Abschied hinterher – mit korrektem deutschem Umlaut-ö.