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Autos fahren in Stuttgart an einer Feinstaub- und Luftmessstation vorbei.
© Bernd Weissbrod/dpa

Debatte um Fahrverbote: Streit um Standorte der Messstellen für Stickoxide

In etlichen EU-Ländern wird wie in Deutschland von Minister Scheuer kritisiert, die Geräte stünden zu nah an Straßen. Brüssel lässt dies überprüfen.

Die Debatte über mögliche Fahrverbote für Dieselfahrzeuge wegen überschrittener Schadstoffwerte bekommt eine weitere Facette: EU-Umweltkommissar Karmenu Vella geht auf die Kritik in vielen Mitgliedsstaaten ein, dass die Stationen zur Messung von Stickoxiden und Feinstaub auch anders aufgestellt werden könnten.

In einer Antwort auf eine Anfrage mehrerer CDU-Europaabgeordneter schreibt Vella, die Kommission erkenne an, „dass diese Kriterien in einigen Fällen im Hinblick auf eindeutigere Messungen verbessert werden könnten“. Daher habe die Kommission eine „Eignungsprüfung“ der Luftqualitätsrichtlinien eingeleitet, die ihrer Gesamtleistung gelte. Danach werde geprüft, „ob die Luftqualitätsrichtlinien einschließlich der Kriterien für die Standorte der Probenahmestellen ihren Zweck erfüllen“.

Konservative und Autoindustrie hoffen auf bessere Werte

Die konservativen EU-Abgeordneten, die Autoindustrie und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) haben nun die Hoffnung, dass an weniger Messstellen in Deutschland die Grenzwerte überschritten werden, wenn die Stationen anders aufgestellt werden – nämlich weiter weg vom Straßenrand.

Diese Hoffnung ist wahrscheinlich trügerisch. Eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums sagte dem Tagesspiegel dazu: „Das ist nicht mehr als eine Nebelkerze. In Deutschland sind die Stationen sachlich und technisch korrekt aufgestellt.“ Die von Vella angeordnete Überprüfung sei ein „turnusgemäßer Fitness-Check“, der bis Ende 2019 abgeschlossen werde. Anstatt die Positionierung der Stationen infrage zu stellen, sollten Scheuer und die Autohersteller sich für Hardware-Nachrüstungen bei Diesel-Fahrzeugen einsetzen. Dann werde auch die Luft besser.

In die gleiche Richtung geht die Reaktion des Umweltbundesamtes (UBA), das gemeinsam mit den Bundesländern für die Aufstellung der Stationen verantwortlich ist. Die zuständige Abteilung des UBA teilte mit, alle Messstellen seien in einer gemeinsamen Datenbank hinterlegt und würden einmal im Jahr einem Qualitätscheck unterzogen.

Außerdem gebe es regelmäßig Treffen auf EU-Ebene zu diesem Thema, das nächste Mal im Juni in Prag. Schon seit 2015 sei es in Europa vorgeschrieben, die Auswahl der Standorte genau zu dokumentieren. Die Daten könnten von der EU-Kommission angefordert werden.

EU hat auch Deutschland verklagt

Mit den Kollegen in den Bundesländern habe das UBA ohnehin vereinbart, die Kriterien für die Aufstellung der Stationen zu vereinheitlichen, zum Beispiel den Abstand vom Rand der Fahrbahn. Fazit der Fachabteilung: „Wir in Deutschland sind in Europa vorbildlich auf diesem Gebiet. Wir werden die EU- Überprüfung souverän bestehen.“

Die EU-Kommission hatte vergangene Woche beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen Deutschland, Frankreich, Ungarn, Italien, Rumänien und das Vereinigte Königreich eingereicht, weil die vereinbarten Grenzwerte für die Luftqualität nicht eingehalten werden und in der Vergangenheit keine geeigneten Gegenmaßnahmen ergriffen wurden. In Deutschland wurden die Grenzwerte in 26 Gebieten überschritten – besonders betroffen sind Berlin, München, Hamburg, Köln, Stuttgart und Düsseldorf.

Am 30. Januar 2018 hatte Kommissar Vella einen Ministergipfel zum Thema Luftqualität einberufen, um einen letzten Versuch zu unternehmen, das Problem der Luftverschmutzung in neun Mitgliedsstaaten zu lösen. Die oben genannten sechs Länder haben nach seiner Auffassung „keine überzeugenden, wirksamen und zeitgerechten Maßnahmen vorgeschlagen, um die Verschmutzung schnellstmöglich – wie es das EU-Recht vorschreibt – unter die vereinbarten Grenzwerte zu senken“.

Nur sechs Länder haben eine weiße Weste

Dagegen haben Tschechien, die Slowakei und Spanien Abhilfe geschaffen oder planen Dinge, die dazu führen können, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Deshalb werden sie von Brüssel nicht verklagt, sondern stehen unter Beobachtung.

Insgesamt gibt es 13 EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid und 16 Verfahren wegen Feinstaubs. Eine weiße Weste haben Schweden, Finnland, Estland, Litauen, Irland und die Niederlande. In Großstädten wie Stockholm oder Helsinki werden die Grenzwerte für Stickstoffdioxid aber auch überschritten.

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