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Die Angeklagte Beate Zschäpe am Montag, dem 184. Tag im NSU-Prozess.
© dpa

NSU-Prozess / 184. Tag: Streit um "Opfereigenschaft" einer Frau

Am 184. Tag des NSU-Prozesses hat sich die Bundesanwaltschaft auf die Seite einer Nebenklägerin gestellt, deren "Opfereigenschaft" von Zschäpes Anwälten in Frage gestellt worden war. Die Frau war in der Keupestraße zwar nicht von Nägeln getroffen worden, leidet aber seitdem unter Angstzuständen.

Ankläger und Nebenkläger  haben im NSU-Prozess oft Streit, doch jetzt gibt es Einklang. Die Bundesanwaltschaft hat sich am Dienstag im Oberlandesgericht München auf die Seite der Nebenklägerin Sermin S. und ihres Anwalts Alexander Hoffmann gestellt. Deren Teilnahme an der Hauptverhandlung hatten die Verteidiger von Beate Zschäpe in der vergangenen Woche, wie berichtet, als unzulässig bezeichnet. Hoffmann und weitere Nebenklage-Anwälte reagierten empört.

Sermin S. hatte bei dem Nagelbombenanschlag des NSU am 9. Juni 2004 in der Kölner Keupstraße keine körperlichen Verletzungen erlitten, schilderte aber als Zeugin im Prozess  psychische Beschwerden, die in den vergangenen Jahren zugenommen hätten. Aus Sicht der Verteidiger Zschäpes sind die Nebenklage von Sermin S. und die Teilnahme ihres Anwalts am Prozess jedoch nicht zu rechtfertigen.

Dem Antrag auf Ausschluss von Sermin S. und Anwalt Alexander Hoffmann trat nun die Bundesanwaltschaft in einer Stellungnahme entgegen. Es bestehe weiterhin eine Berechtigung der Betroffenen, sich der Anklage als Nebenklägerin anzuschließen, sagte Oberstaatsanwältin Anette Greger. Der „Verletzungsvorsatz der Täter“ habe sich auf alle Personen erstreckt, die sich im Wirkungsbereich der Bombe aufhielten. Deshalb sei auch bei Sermin S. eine versuchte Körperverletzung möglich. Die Nebenklägerin hatte sich in einem hinteren Raum ihrer Wohnung an der Keupstraße aufgehalten und keine der umherfliegenden Nägel und Splitter abbekommen. Wie gefährlich die Situation auch für Sermin S. war, zeigten allerdings Risse in den Wänden im Flur.

Anwalt der Zeugin macht große Vorwürfe

Bei der Explosion in der türkisch geprägten Straße hatten laut Anklage 22 Menschen Verletzungen erlitten. Die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten die Bombe mit 5,5 Kilogramm Schwarzpulver gefüllt und mit ungefähr 800 Zimmermannsnägeln gespickt. Die Wucht der Explosion war so groß, dass einige Nägel über Hausdächer flogen.

Anwalt Hoffmann verlas am Dienstag ebenfalls eine ausführliche  Stellungnahme. Er hielt den Verteidigern vor, sie hätten sich nicht geäußert, als er 2012 die Zulassung der Nebenklage für Sermin S. erhalten habe. Nun ziele der Versuch, die „Opfereigenschaft“ von Sermin S. zu bestreiten, darauf ab, die Mordabsicht der Täter zu verschleiern. Hoffmann deutete damit an, die Verteidiger wollten mit dem Antrag gegen ihn und Sermin S. versuchen, Zschäpe vom Vorwurf des versuchten Mordes zu entlasten. Die Bundesanwaltschaft wertet den Anschlag in der Keupstraße als versuchten Mord und hält Zschäpe für die Mittäterin, wie bei allen weiteren Verbrechen der Terrorzelle NSU.

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