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Ein Vertrauter muss gehen. CSU-Sprecher Hans Michael Strepp war noch vor wenigen Wochen bei der Klausurtagung der Partei im Kloster Banz einer der wichtigsten Mitarbeiter des Parteichefs Horst Seehofer (rechts).
© dapd

Rücktritt des CSU-Sprechers: Strategischer Rückzug

Zwei Tage hat es gedauert, bis CSU-Sprecher Hans Michael Strepp zurück getreten ist. Doch sein Rücktritt lässt mehr Fragen offen, als er beantwortet. Hat er wirklich aus eigenem Antrieb beim ZDF angerufen?

Das Verrückte an der Geschichte ist, das Hans Michael Strepp eigentlich nicht verrückt ist. Listig, auch sachte hinterlistig, ein Stratege und guter Verkäufer und Verteidiger seiner beiden Herren – all das kann man über den Mann sagen, der vier Jahre lang kaum je von Horst Seehofers Seite gewichen ist und wenn, dann nur, um an der des CSU-Generalsekretärs Alexander Dobrindt zu stehen. Aber dass dieser Strepp beim ZDF anruft, um einen Beitrag über die Krönung des Christian Ude zum SPD-Spitzenkandidaten für die Bayern-Wahl zu verhindern – so viel Unprofessionalität traut ihm eigentlich keiner zu. Seit Donnerstag ist Strepp nicht mehr Sprecher der CSU. Der Rücktritt lässt mehr Fragen offen als er beantwortet.

Zum Beispiel, warum es dafür fast zwei Tage brauchte. „Notwendig und unvermeidlich“ nennt CSU-Chef Horst Seehofer den Schritt seines bisher engsten Mitarbeiters. Das kann man wohl sagen. Denn es war in dieser Affäre nicht bei einem Anruf geblieben, und Strepp musste klar sein, dass der Rest der Geschichte rasch bekannt würde. Der Rest aber lässt nun wirklich nur noch eine Deutung zu: Das war ein strategisch geplanter Einschüchterungsversuch.

Da war die Erkundigung bei einem ARD-Redakteur in Berlin, ob man einen Bericht über Ude plane – Antwort: Nein. Da war eine SMS an den Leiter des ZDF-Landesstudios in München, Ulrich Berls: Ob die Ude-Berichterstattung im Umfang vergleichbaren Fällen entsprechen werde, wie bei der Nominierung des Kieler SPD-Spitzenkandidaten (und jetzigen Ministerpräsidenten) Thorsten Albig oder des SPD-Vormanns Stefan Weil in Niedersachsen? Es folgte Strepps – vergeblicher – Versuch, den Leiter der ZDF-Hauptredaktion Aktuelles zu erreichen. Schließlich der Anruf in der „heute“-Redaktion: „Weit davon entfernt, in das Programm reinzureden, wolle er aber doch rechtzeitig zu bedenken geben, dass es im Nachklapp Diskussionen geben könnte, wenn das ZDF im Alleingang sende“ – so fasst der Redakteur aus der Erinnerung den Anrufer zusammen.

Deutlicher kann eine Drohung kaum ausfallen. Seehofer sitzt im ZDF-Verwaltungsrat, Dobrindt im ZDF-Fernsehrat, beide also genau da, wo man solche „Diskussionen“ anzetteln kann. Womit die nächste Frage unvermeidlich ist. Seehofer hat sie schon in seiner ersten Reaktion am Mittwoch vorausgesehen: Nein, er habe seinen Sprecher nicht zu irgendetwas angewiesen.

Das glaubt die Opposition so einfach nicht. Die in Berlin nicht – ein „Bauernopfer“, sagt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, das der „als besonnen und korrekt bekannte Parteisprecher“ habe bringen müssen. Für die in München ist die Sache erst recht nicht erledigt. Ude hat den Vorgang noch milde als „Trotteligkeit“ bewertet. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher spricht in einer kurzfristig im Landtag angesetzten Debatte von einer „Auftragsarbeit“, einer „Causa Seehofer“. Da spiegele sich der wahre Geist der alten Staatspartei wider.

Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, sekundiert: „Die Arroganz der CSU ist nach wie vor zu groß.“ Auch der Koalitionspartner geht auf weiten Abstand: Der Fall zeige das Staatsverständnis der CSU, sagt FDP-Fraktionschef Thomas Hacker in einem Interview. „Bevormunden, Beeinflussen, Drangsalieren!“

Seehofer gibt sich, wie immer in kritischen Situationen, gelassen: „Was haben Sie von der Opposition anderes erwartet?“ Es dürfte ihm aber nicht verborgen geblieben sein, was so gemunkelt wird im und rund um den Landtag. Der Strepp, sagen viele, der habe so einen Anruf doch nicht von sich aus getätigt. „Er ist seriös, zurückhaltend und gut informiert“, lobt ein Oppositionsmann listig den Abgetretenen, „und keiner, der brachial durch die Gegend rennt.“ Als gelegentlich brachialer Holzer bekannt hingegen sei ja nun mal Strepps direkter Dienstvorgesetzter im Franz-Josef-Strauß-Haus – Generalsekretär Dobrindt.

Der nimmt den Abgang des Sprechers hölzern „mit großem Bedauern“ zur Kenntnis und zeichnet im Übrigen die Linie seines Parteichefs nach: Dies sei die „nötige Konsequenz“ – nein, nicht etwa aus einem Erpressungsversuch, sondern daraus, „dass es nicht möglich war, mit dem ZDF zu einer übereinstimmenden Beurteilung des Telefonats“ zu kommen.

Seehofer aber bemüht sich, sich die Sache so weit es geht vom eigenen Leibe fern zu halten. Sein Finanzminister Markus Söder hat morgens im Deutschlandradio verkündet, den Vorfall aufzuklären sei „alles Sache des Parteivorsitzenden und des Generalsekretärs“. Auch er wolle den Vorfall weiter aufgeklärt sehen, versichert Seehofer – wofür zum Beispiel die ZDF-Aufsichtsgremien ein geeigneter Ort seien. Und was die Auftragsfrage angeht: Im persönlichen Gespräch habe er Strepp nach einem Auftraggeber gefragt. „Und er hat mir mehrfach gesagt: Absolut Nein.“ Der Ex-Sprecher taugt als Quelle in eigener Sache freilich nicht mehr viel. Interessant ist nur, dass sein Ex-Chef die Frage nach einem Auftraggeber offenkundig auch nicht absurd findet.

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