Kritik am FDP-Chef: Strategie der Widersprüche: Rösler verwirrt seine schrumpfende Partei
Röslers engere Parteiführung und auch er selbst lassen weder strategische Linien noch inhaltliche Richtung erkennen. So jedenfalls wird es in Fraktion und Partei immer heftiger beklagt.
Zu den wichtigeren Aufgaben eines Parteivorsitzenden gehört, klare Linien der Politik vorzugeben. Das gilt insbesondere in Zeiten, wie sie die FDP gerade erlebt. Ohnehin das hässliche Entlein der Parteienfamilie, wurden die Liberalen von den Saarländern bei den Landtagswahlen am Sonntag fast bis zur Unkenntlichkeit zurechtgestutzt. Das sehr magere 1,2-Prozent-Wahlergebnis dort und zwei wichtige Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen vor Augen sollten FDP-Chef Philipp Rösler eigentlich Anlass zu klaren und eindeutigen Botschaften sein, die Verlässlichkeit und Standhaftigkeit liberaler Politik vermitteln.
Röslers engere Parteiführung und auch er selbst lassen jedoch weder strategische Linien noch inhaltliche Richtung erkennen. So jedenfalls wird es in Fraktion und Partei immer heftiger beklagt. Mal, so lautet der Vorwurf, verwiesen Rösler und sein Generalsekretär Patrick Döring auf die gemeinsame Lösung anstehender Regierungsaufgaben mit der Union in Berlin. Dann wieder würden die Partner mit heftigen Angriffen traktiert. Der nicht ganz neue Vorwurf an den Parteivorsitzenden, es fehle ihm eine Strategie, lebt so nach der Saarwahl wieder auf.
Am Rande der Sitzung des engsten Führungszirkels, dem Präsidium, musste sich Rösler am Montag dazu deutliche Worte anhören. Und auch während der Sitzung mahnten Präsidiumsmitglieder, freilich ohne Röslers Namen direkt zu nennen, liberales Profilierungsgehabe und lautstarkes Abgrenzungsgetöse im Hinblick auf den Koalitionspartner zu unterlassen. Hintergrund waren Äußerungen des Parteichefs selbst, der die CDU unmittelbar vor der Wahl am Sonntag in einem Interview eine sozialdemokratische Partei nannte, die gemeinsam mit der SPD einen immer dickeren Einheitsbrei bilde, um sodann einen klaren Konfrontationskurs zum eigenen Regierungspartner anzukündigen. Am Montagmorgen schließlich unterstrich Generalsekretär Döring die Notwendigkeit einer Abgrenzungspolitik dann noch einmal, was vom Führungszirkel der Partei als konzertierte Aktion des Gespanns Rösler/Döring verstanden wurde und Gesundheitsminister Daniel Bahr zu der Warnung aufrief, jetzt nicht „die Nerven zu verlieren“. Schließlich nutze es den Wahlkämpfern in Schleswig-Holstein und NRW kaum, wenn die Parteiführung in Berlin durch derartiges Aufbegehren das schwarz-gelbe Regierungshandeln erschwere – und zwar ohne jede Aussicht, danach Ergebnisse liefern zu können, die einen liberalen Stempel tragen.
Auch ein neuerliches Arbeitspapier der beiden FDP-Spitzen zeugt von dieser Richtungslosigkeit. Darin wird „grundsatztreue und gleichzeitig kompromissbereite Regierungszusammenarbeit in Berlin“ betont und der CDU gleichzeitig „bewusste Abgrenzungspolitik“ unterstellt.
Erstaunt über die Parteiführung sind auch Innen- und Rechtspolitiker der FDP. Vor kurzem mussten sie unter Verweis auf die FDP-Führung in der Zeitung lesen, dass die Union gemeinsame Projekte mutwillig verzögere, um die FDP „auszutrocknen“. Als Beispiele wurden die Reform des Sorgerechts bei unverheirateten Eltern, die Novelle der Kronzeugenregelung, Regelungen zum Warnschussarrest eine Gesetz zur Pressefreiheit und Neuregelungen zur Einführung einer Blue Card genannt.
„Nichts davon stimmt“ und schon gar nicht der erhobene Vorwurf, Merkels CDU wolle der FDP vor den Landtagswahlen in Kiel und Düsseldorf keine Erfolge gönnen, heißt es jetzt in liberalen Fachkreisen hinter vorgehaltener Hand. So stellen an diesem Mittwoch die Fachleute der Koalition gemeinsam den Gesetzentwurf zu Neuregelungen im Bereich ausländischer Fachleute vor. Außerdem will Schwarz-Gelb das Gesetz zur Pressefreiheit am Donnerstag im Bundestag beschließen. Und auch beim Sorgerecht, der Kronzeugenregelung und dem Warnschussarrest könne keine Rede von mutwilliger Verzögerung durch die Union sein. In allen drei Bereichen lägen die entsprechenden Gesetzentwürfe noch nicht einmal vor. Und zwar, weil Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die FDP-Justizministerin, sie noch nicht vorgelegt hat. Ohne Not, ärgern sich nun die liberalen Fachleute, werde von der Parteiführung ein verzerrtes Bild der Koalition gezeichnet. Eines, dessen Botschaft von einer Union, die der FDP schaden will, offenbar bei liberalen Anhängern in den Landtagswahlländern Verbundenheit erzeugen und die Stimmenzahl erhöhen soll. Das auch der Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen, Christian Lindner, allerdings als wenig hilfreich ansieht. Die Bürger erwarteten „ruhiges, professionelles Regierungshandeln“, mahnt Lindner seine Parteiführung unter Philipp Rösler und bittet, „Mätzchen und Profilierungsspiele“ tunlichst zu unterlassen.
Im aktuellen „stern-RTL-Wahltrend“ konnte sich die FDP leicht um einen Punkt verbessern, bleibt aber mit vier Prozent weiterhin unter der Fünf-Prozent-Hürde. Die Daten der Umfrage stammen allerdings noch aus der Vorwoche, also vor der Landtagswahl im Saarland.
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