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Markus Söder nach der Pressekonferenz am Donnerstag.
© dpa / Peter Kneffel

Seine Gegner werfen ihm „Staatsversagen“ vor: Stoppt das Test-Debakel Söders Höhenflug?

Es ist eine riesige Panne: Hunderte Infizierte wurden über Tage nicht informiert. Bayerns Ministerpräsident Söder setzt auf Demut.

Es hätte eine Reise mit schönen Bildern werden können, wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sie gerne hat: Zwei Tage an die Nordsee wollte er, mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther durchs Watt wandern. Zwei Macher-Typen der Union mit Sonne im Rücken und Wind im Haar – so hätte das aussehen sollen.

Doch statt im Watt stand der Ministerpräsident am Donnerstagnachmittag mit ernster Miene im Foyer seines Amtssitzes und erklärte: „Wir können uns dafür nur entschuldigen.“ Gemeint war die Test-Panne, die sich im Freistaat ereignet hat. Sie schlägt politisch hohe Wellen. Am Mittwochnachmittag hatte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml bekanntgegeben, dass 44.000 Reiserückkehrer nach Tests in Bayern noch kein Ergebnis bekommen hätten. Darunter seien mehr als 900 nachweislich Infizierte gewesen. Söder musste seine Reise absagen.

Häme bei Söders Gegnern

Auch wenn formal seine Gesundheitsministerin Huml zuständig ist, steht der Ministerpräsident stark unter Druck. Immer mehr seiner politischen Gegner meldeten sich am Donnerstag zu Wort, zum Teil mit harschen Vorwürfen: Von „Staatsversagen“ ist die Rede, sogar von „Körperverletzung“. Denn die Sorge ist groß, dass die Infizierten unwissentlich viele Menschen angesteckt haben könnten.

Eine gewisse Portion Häme ist bei Söders Gegnern nicht zu übersehen. Bislang hatte sich der Bayer in der Corona-Pandemie erfolgreich als zupackender Krisenmanager inszeniert – und dabei auch gegen jene ausgeteilt, bei denen es weniger rund lief. Im Juli zeigten die Umfragen, wie gut Söders Auftreten in der Bevölkerung ankam: 77 Prozent der Bayern sagten, sie sähen ihn als guten Kanzlerkandidaten für die Union. Auch deutschlandweit ist er sehr beliebt. Beendet das Test-Debakel nun den Höhenflug des CSU-Chefs – oder schafft er es, die Panne unbeschadet zu überstehen?

Söders Mantra: Testen, testen, testen

Dass Söder jetzt so harsche Kritik abbekommt liegt auch an seinem Auftreten der vergangenen Monate, das selbst Unionskollegen zuweilen als großspurig empfanden. „Nur wer Krisen meistert, kann auch bei der Kür glänzen“, hatte Söder Anfang Juli im Interview mit dem Tagesspiegel erklärt. Das hieß: Er kann sich nur einen Kanzlerkandidaten der Union vorstellen, der sich auch in der Coronakrise bewährt hat.

In der CDU löste die Äußerung großen Ärger aus. Führende Christdemokraten verstanden Söders Worte als Angriff auf die Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen. Söder ließ durchscheinen, dass er sich selbst für einen guten Kanzlerkandidaten hielte, bekräftigte aber gleichzeitig, dass sein Platz in Bayern sei. „Viele dachten: Wieso beschädigt er unsere Kandidaten, aber sagt selbst nicht, dass er antritt?“, erzählt ein CDU-Insider.

Söder pflegte in der Krise auch demonstrativ sein Image als durchgreifender Landesvater. „Corona macht keine Ferien, Corona macht keine Pause. Bayern ist weiter absolut wachsam“, hatte er erst am Montag bei einer Pressekonferenz gesagt. Eines von Söders Mantras ist zudem: „Testen, testen, testen“. Dass der Freistaat auch Reiserückkehrer aus anderen Bundesländern mit teste, bezeichnete Söder vollmundig als „Dienst für Deutschland“.

Papier statt digitale Erfassung

Doch die Tests für Reiserrückkehrer wurden offenbar im Hauruckverfahren organisiert. Wie das Bayerische Rote Kreuz (BRK) mitteilte, seien die bayerischen Hilfsorganisationen vom Freistaat beauftragt worden, innerhalb eines Tages fünf Teststationen zu errichten, darunter an drei Autobahnraststätten. Man habe sich bei der Einrichtung der Teststationen an den Vorgaben des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) orientiert. „Da das LGL sich nicht in der Lage gesehen hat, in dieser kurzen Zeit eine entsprechende Software zur Verfügung zu stellen, mussten die Reisenden händisch mit Formularen erfasst werden“, hieß es in einer Mitteilung.

Dass die Daten dann erst noch übertragen werden mussten, führte zu Verzögerungen und trug dazu bei, dass hunderte Infizierte über Tage uninformiert blieben „Man hätte der guten Idee der Testzentren besser ein, zwei, drei Tage mehr Reifezeit geben sollen“, sagte am Donnerstag BRK-Sprecher Sohrab Taheri-Sohi. Er sieht die bayerischen Behörden in der Verantwortung.

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Auch die Kritik aus der SPD an Söder ist scharf: „Die Selbstüberschätzung von Herrn Söder hat fatale Folgen für die Bürgerinnen und Bürger“, sagte etwa die der gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagfraktion, Sabine Dittmar. Wertvolles Vertrauen in die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie werde verspielt. „Testen, testen, testen bringt nichts, wenn die Umsetzung nicht funktioniert.“

Die Gesundheitsministerin darf bleiben

Dem CSU-Chef blieb am Donnerstag nur noch die Flucht nach vorn: Söder zeigte sich demonstrativ demütig. Gemeinsam mit Gesundheitsministerin Huml trat er vor die Presse und entschuldigte sich als allererstes für die Panne. Söder erklärte aber auch, dass er den Rücktritt, den Huml angeboten habe, ablehne. „Ich habe Vertrauen zu ihr“, sagte er. Die Fehler müssten abgestellt werden und dürften sich nicht wiederholen.

Die Mitarbeiter des Landesamtes für Gesundheit hätten die Nacht durchgearbeitet und seien nun dabei, die Infizierten zu informieren – die Rede war nun von mehr als 1000. Es gebe allerdings noch eine Reihe an Positiv-Getesteten, die man noch nicht habe erreichen können.

Trotz der Panne will Söder in Zukunft an seiner Test-Strategie weiterhin festhalten. Der CSU-Chef betonte, dass Bayern unter den Bundesländern Vorreiter bei den Tests von Rückkehrern aus Risikoländern sei und damit für mehr Sicherheit in Deutschland sorge.

Die Frage ist: Welche Folgen hat die Panne?

Wie effektiv ist Söders Krisenkommunikation? Frank Roselieb leitet das Institut für Krisenforschung in Kiel. Er glaubt, dass der gelernte Fernsehjournalist Söder vieles richtig macht. Söder wisse um die Macht der Bilder in Krisenzeiten. Insofern sei ihm klar gewesen, dass er die Nordseereise habe absagen müssen: Die schönen Fotos aus dem Watt hätten ihm in der heiklen Situation zu Hause nämlich sogar geschadet.

„Zweitens nimmt er in der Krisenkommunikation keine Selbstverteidigungsposition ein“, sagt Roselieb. Söder schiebe die Schuld nicht auf andere und starte stattdessen mit Lösungsversuchen. Er formuliere außerdem verständlich und verstehe es auch in dieser Situation, die bayerische Seele zu streicheln. Söder hatte die Nordseereise abgesagt mit den Worten: „Bayern geht vor“.

Roseliebs Fazit: Die Testpanne sei für Söder zwar ärgerlich, aber sie schade ihm bisher nicht. „Er verfügt in der Wahrnehmung der Menschen offenbar über ein beträchtliches Reputationspolster.“

Wie sich das Debakel langfristig auswirkt, hängt allerdings davon ab, welche Folgen sie noch hat. Sollten die Nicht-Informierten in großem Stil andere angesteckt haben, könnte es sehr ungemütlich für Söder werden.

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