Spitzenkandidaten Weber, Barley, Beer: Stolpern in den Europawahlkampf
Der Europawahlkampf geht in die heiße Phase. Die deutschen Kandidaten Weber, Barley und Beer kämpfen dabei mit unterschiedlichen Problemen. Ein Kommentar.
Wahlkämpfe haben es an sich, dass Politiker mit vollmundigen Versprechungen um Aufmerksamkeit ringen. Für die Europawahl, die von jeher mit einer eher mäßigen Wahlbeteiligung zu kämpfen hat, gilt das ganz besonders. Das sollte die Spitzenkandidaten in Deutschland allerdings nicht dazu verleiten, sich mit unrealistischen Forderungen an das Wahlvolk heranzuschmeißen. Vier Wochen vor der Europawahl zeigt sich, dass der EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber, die SPD-Kandidatin Katarina Barley und die FDP-Spitzenfrau Nicola Beer mit dieser Herausforderung ganz unterschiedlich umgehen. Probleme haben aber alle drei.
Die Aufmerksamkeit richtete sich am Wochenende vor allem auf den CSU-Vize Manfred Weber, der anders als Barley und Beer ganz Großes in Brüssel vorhat: Er möchte Nachfolger des EU-Kommissionschefs Jean-Claude Juncker werden. Gelingt ihm das, wäre er der erste Deutsche auf dem Brüsseler Chefposten seit einem halben Jahrhundert.
Weber ist zwar kein mitreißender Redner, wie der Wahlkampfauftakt der Unionsparteien in Münster gezeigt hat. Aber im Gegensatz zum früheren SPD-Chef Martin Schulz, der vor fünf Jahren auch schon einmal Kommissionspräsident werden wollte, kann Weber sich zugute halten, keine komplett unrealistischen Forderungen wie die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa aufzustellen.
Es ist nämlich kontraproduktiv, die EU mit Erwartungen und Anforderungen zu überfrachten, die sie ohnehin nicht erfüllen kann. Die wirtschaftlichen Nachteile, der der Brexit für Großbritannien nach sich ziehen dürfte, sollten eigentlich genügen, um die Bürger vom Sinn und Zweck der Europäischen Union zu überzeugen.
Webers Programm muss einem Praxistest noch standhalten
Webers Programm ist eine Mischung aus praxisorientierten Forderungen wie der Ausarbeitung eines europäischen Masterplans zur Krebsbekämpfung und Zielvorstellungen, die einem Praxistest erst noch standhalten müssten. Letzteres gilt etwa für den Plan des Niederbayern, fünf Millionen neue Arbeitsplätze für Jugendliche in der EU zu schaffen oder die EU-Polizeibehörde Europol in ein europäisches FBI umzuwandeln. Dass es Weber aber ernst ist mit seinem Plan, die Juncker-Nachfolge anzutreten, zeigt seine deutliche Ablehnung der inzwischen auch von Kanzlerin Angela Merkel vorangetriebenen Gaspipeline Nord Stream 2. Dies dürfte dem EVP-Spitzenkandidaten vor allem in Osteuropa Stimmen bringen.
Barleys Forderung nach einem Ende der Brüsseler Groko geht ins Leere
Auf eine vorwiegend deutsche Öffentlichkeit zielt indes die SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley, die als Parteilinke bislang mit einer Verteufelung der EU als Hort des Wirtschaftsliberalismus auf sich aufmerksam gemacht hat. Es ist schon richtig, dass eine derartige Zuspitzung dem Wahlkampf und damit der Mobilisierung nur guttun kann. Mit ihrer jüngsten Forderung, dass die Sozialdemokraten in Brüssel und Straßburg demnächst die große Koalition mit den Konservativen in der EVP aufkündigen sollten, hat Barley allerdings ein Eigentor geschossen. Denn die Realität spricht eher dafür, dass Konservative und Sozialdemokraten wegen des erwarteten Erstarkens der Populisten im EU-Parlament künftig einander mehr denn je brauchen werden.
Beer geht geschwächt in die heiße Phase des Europawahlkampfs
Zur europäischen Randnotiz drohen indes auch die bisherigen Positionierungen der FDP-Spitzenkandidatin Nicola Beer zu werden. Wie viele andere auch will Beer Europa „so verändern, dass es wieder leuchtet“. Allerdings muss sie sich vorwerfen lassen, dass sie sich in den vergangenen Wochen nicht klar genug vom ungarischen Autokraten Viktor Orban abgegrenzt hat. Die Quittung bekam Beer nun auf dem FDP-Parteitag in der Form eines desaströsen Ergebnisses bei ihrer Wahl zur Vize-Chefin. Die FDP wirbt im Europawahlkampf mit der Forderung nach der Beschränkung der EU auf grenzüberschreitende Fragen, einer Warnung vor einer "Transferunion" und der Schaffung eines europäischen Asylsystems. Beer dürfte es seit dem FDP-Parteitag schwerer haben, mit diesen Botschaften durchzudringen.