Frankreich: Stoff für Streit
Ein Gesetzesvorschlag des Integrationsrats in Frankreich stellt das Tragen von Kopftüchern an Hochschulen infrage - damit kocht ein alter Streit wieder hoch.
Mit einem brisanten Vorschlag hat ein Beratungsgremium der französischen Regierung eine Debatte über das Tragen von Kopftüchern an den Universitäten im Land ausgelöst. Der so genannte Integrationsrat, der sich unter anderem aus Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Forschung zusammensetzt, hat angeregt, dass im Inneren der Universitäten des Tragen religiöser Symbole künftig verboten sein soll. Nachdem die Zeitung "Le Monde" über den Vorschlag berichtet hatte, kocht jetzt die alte Debatte über das Kopftuch in Frankreich wieder hoch. An öffentlichen Schulen ist dort das Tragen des Kopftuchs verboten.
Nach der Auffassung des Integrationsrats ist an den Universitäten ein generell steigender Einfluss von Anhängern unterschiedlicher Glaubensrichtungen zu verzeichnen, die einen missionarischen Auftrag verfolgen. Dem Bericht des Rates zufolge fordern immer mehr Studenten Ausnahmeregelungen und Unterrichtsbefreiungen, um ihre Religion ausüben zu können. Um diesem Trend entgegenzuwirken, hat der Integrationsrat nun angeregt, dass die Studenten religiöse Symbole - also auch Kopftücher - künftig nicht mehr offen zeigen sollen.
Der Integrationsrat legte insgesamt zwölf Vorschläge für Gesetzesänderungen vor, mit deren Hilfe dem zunehmenden Einfluss religiöser Gruppen auf den Campus entgegengewirkt werden soll. Die Vorschläge des Integrationsrats seien diskussionswürdig, sagte Innenminister Manuel Valls der konservativen Zeitung "Le Figaro". Die französische Öffentlichkeit unterstützt jedenfalls die Anregung: 78 Prozent der Befragten befürworten nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Ifop ein Kopftuch-Verbot an den Universitäten. Allerdings wies Hochschulministerin Geneviève Fioraso darauf hin, dass bislang keine einzige Universität sich wegen Problemen mit Kopftuch-Trägerinnen an ihr Ministerium gewandt hätte.
"Die Debatte ist unangebracht" sagte auch Samir Amghar, Soziologe und Forscher am Institut für Islamsforschung und Fragen der muslimischen Welt in Paris. An der Universität habe man es anders als an der Schule mit Volljährigen zu tun, die für sich selbst verantwortlich seien, betonte er. Der Soziologe kritisierte Innenminister Valls, der vorgebe, gegen eine Radikalisierung von Studenten an Universitäten vorgehen zu wollen, aber sich in Wirklichkeit nicht für die Integration der Muslime interessiere. "Eine derartige Haltung führt zu Groll bei den Muslimen, und gerade das dient als Grundlage der Radikalisierung", erklärte er. In seinem jüngsten Buch "Der militante Islam in Europa" setzt sich Amghar mit der neuerlichen Hinwendung zur Religion auseinander, die bei vielen jungen Muslimen seit Ende der achtziger Jahre in Europa beobachtet werden kann. Gerade in Frankreich, so Amghar, sei es für Muslime schwierig, einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Muslime seien dort ständig mit der Frage konfrontiert, bis zu welchem Grad sie ihre Religion ausüben können, ohne dabei ihre französische Staatsbürgerschaft infrage zu stellen, sagte der Soziologe.
Mélanie Gonzalez