Nach Anschlag von Halle: Stephan B. wollte 2018 zur Bundeswehr
Der mutmaßliche Attentäter von Halle bewarb sich letztes Jahr als Zeitsoldat. Unterdessen wurde eine Wohnung in Mönchengladbach durchsucht.
Nach dem Terroranschlag in Halle kommen immer mehr Details über den Attentäter ans Licht. Der Mann hat sich 2018 als Zeitsoldat bei der Bundeswehr beworben, auch soll er sich bereits 2015 im Internet eine Schusswaffe besorgt haben, wurde nach einer Sitzung des Bundestags-Innenausschusses am Mittwoch bekannt.
Der Attentäter habe sich im September 2018 als Zeitsoldat bei der Bundeswehr beworben, verlautete aus der nicht-öffentlichen Ausschusssitzung, an der Generalbundesanwalt Peter Frank und ein Vertreter des Bundeskriminalamtes teilnahmen. Den Angaben zufolge zog der Mann seine Bewerbung aber später wieder zurück, warum, ist noch nicht bekannt. Er hatte ab Ende 2010 einige Monate Wehrdienst geleistet. Ein Chemie-Studium brach er ab.
Der Attentäter soll sich bereits 2015 im Internet eine Schusswaffe besorgt haben, berichteten mehrere Teilnehmer der Sitzung. Ob er die Waffe im offenen Internet oder im sogenannten Darknet fand, einem versteckten Teil des Internets, sei noch nicht endgültig geklärt. Offen sei auch, ob es sich damals um eine Schreckschusspistole oder um eine scharfe Waffe handelte. Für das von ihm geplante Massaker in der Synagoge baute er mehrere Waffen selbst und stellte auch Munition her.
Wohnung von zwei Männern in Mönchengladbach durchsucht
Nach dem Attentat von Halle haben Ermittler des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes (LKA) am Mittwoch die Wohnung von zwei Männern in Mönchengladbach durchsucht. Die Männer werden verdächtigt, das sogenannte Manifest des mutmaßlichen Attentäters von Halle im Internet verbreitet zu haben.
Die Wohnung der Beschuldigten sei durchsucht worden, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach, Jan Steils, auf dpa-Anfrage. In der Wohnung sicherten die Beamten den Angaben zufolge zahlreiche elektronische Geräte und Speichermedien. Deren Auswertung sowie die weiteren Ermittlungen dauerten an, erklärten LKA und Staatsanwaltschaft.
Es bestehe der Verdacht, dass die Männer Dokumente mit volksverhetzendem Inhalt zeitnah zum Attentat von Halle verbreitet hätten. Auf die Frage, ob es sich dabei um das „Manifest“ des Attentäters handele, sagte Steils, das treffe zu. Gegen die 26 und 28 Jahre alten Männer werde wegen Volksverhetzung ermittelt.
Mit der Durchsuchung vollstreckten die Ermittler einen durch die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach erwirkten Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts. Hintergrund waren demnach Erkenntnisse aus dem beim Generalbundesanwalt geführten Verfahren zum Anschlag von Halle.
Die beiden Männer sollen das Manifest des Attentäters verbreitet haben
Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte zuvor online - nach gemeinsamen Recherchen mit WDR und NDR - von einer verdächtigten Person aus Mönchengladbach berichtet. Diese stehe im Verdacht, mit dem Attentäter in Verbindung gestanden und über die geplante Tat informiert gewesen zu sein. Dazu äußerte sich die Mönchengladbacher Staatsanwaltschaft nicht - unter Hinweis auf laufende Ermittlungen.
Der mutmaßliche Attentäter von Halle hatte sein „Manifest“ voller antisemitischer Begriffe und mit detaillierter Beschreibung seines Waffenarsenals vor der Tat im Internet veröffentlicht. Das rund 15-seitige PDF-Dokument soll laut den Berichten sehr zeitnah zur Tat ins Internet gestellt worden sein. B. sitzt in Untersuchungshaft.
Der geständige Stephan B. soll vor einer Woche schwer bewaffnet versucht haben, in die Synagoge in Halle einzudringen, in der rund 50 Gläubige den wichtigsten jüdischen Feiertag Jom Kippur begingen. Als der Plan misslang, erschoss der 27-Jährige den Ermittlungen zufolge eine 40 Jahre alte Passantin und einen 20-jährigen Mann in einem Döner-Imbiss. Es gab mehrere Verletzte. Der 27-Jährige ist in Untersuchungshaft. Er hat die Tat gestanden und dabei antisemitische und rechtsextreme Motive eingeräumt.
Scholz: AfD kann ihre Verantwortung nicht verleugnen
Parallel geht auch die politische Debatte über den Anschlag weiter. Vizekanzler Olaf Scholz sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwoch) auf die Frage, ob die geistigen Brandstifter auch bei der AfD zu suchen seien: „Die AfD kann ihre Verantwortung in dieser Frage nicht verleugnen.“ Er sei entschieden dagegen, von Einzeltätern zu reden.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow warnte aber davor, vor allem eine Einzeltäter- und AfD-Debatte zu führen. „Das ist wie ein Reflex. Seit den NSU-Morden und dem Mord an Kassels Regierungspräsidenten Walter Lübcke ist doch klar, wir haben es mit braunem Terror in Deutschland zu tun“, sagte Ramelow der dpa in Erfurt. Die AfD für den Mordanschlag verantwortlich zu machen, sei zu einfach. „Die AfD macht nur sichtbar, was schon da ist. Und sicher ist sie auch ein Stichwortgeber der rechtsextremistischen Szene.“
Die Katholische Kirche solidarisierte sich mit Nachdruck mit den Juden in Deutschland. „Wir lassen uns nicht mehr trennen von unseren jüdischen Brüdern und Schwestern“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, am Mittwoch in Berlin. (dpa, AFP)
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