Die Türkei und Europa: Steinmeier warnt Erdogan vor Einführung der Todesstrafe
Außenminister Steinmeier reist am Dienstag in die Türkei und will auf einen Dialog setzen. Aber er macht klar, wo Grenzen sind - zum Beispiel bei der Todesstrafe.
Der Außenminister und designierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) sieht die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in dem Fall für beendet an, wenn das Land die Todesstrafe einführen sollte. "Wir haben Prinzipien, zu denen wir stehen", sagte Steinmeier der "Bild"-Zeitung. "Das liegt in Ankaras Verantwortung." Wenn die Regierung entscheide, die Todesstrafe wieder einzuführen, "dann wäre das ein deutliches Signal, dass sie die ,Akte EU' endgültig schließen will", sagte Steinmeier.
"Auch wir Außenpolitiker sind keine Jedi-Ritter, die mit dem Laserschwert Fakten schaffen könnten, sondern wir müssen den weitaus mühsameren Weg auch des Dialogs gehen", sagte der Außenminister. "Aber wir werden der Regierung in Ankara sicher nicht die Entscheidung abnehmen, ob sie die Tür gegenüber der EU endgültig zuschlägt und sich vom Westen abwendet."
Zugleich rechtfertigte Steinmeier seine Reise am Dienstag in die Türkei. "Die Massenverhaftungen, all die Entlassungen, die Unterdrückung der Presse und der Opposition - all das macht uns sehr große Sorgen. Gleichzeitig ist die Türkei viel zu wichtig für uns, alleine schon aufgrund der engen menschlichen Verbindungen zwischen unseren Ländern, als dass wir es uns leisten könnten, gerade in diesen schwierigen Zeiten auf den Dialog verzichten zu können. Deshalb fahre ich nach Ankara."
EU über künftigen Kurs uneins
Allerdings ist sich die EU sich offenbar nicht über den Kurs gegenüber der Türkei einig. Während sich Österreich am Montag erneut für einen sofortigen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen aussprach, plädierten Staaten wie Großbritannien am Montag in Brüssel für Zurückhaltung. „Wir sollten nicht in einer Art und Weise überreagieren, die gegen unser gemeinsames Interesse ist“, sagte der britische Chefdiplomat Boris Johnson bei einem EU-Außenministertreffen. Er sei wichtig, die Türkei "nicht in eine Ecke" zu drängen.
Angesichts der "vielen" Verhaftungen sollte die Europäische Union über die Beziehung mit so einem Land nachdenken, kommentierte dagegen der belgische Außenminister Didier Reynders. Er warb nach Angaben von Diplomaten im Kreis der Minister auch dafür, im Rahmen der Beitrittsverhandlungen gezahlte EU-Mittel umzuwidmen und für Projekte der Zivilgesellschaft auszugeben.
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn warnte, dass die EU aus seiner Sicht "einen schweren Fehler" machen würde, wenn sie die Beitrittsverhandlungen abbräche. "Ich glaube, dass in der Türkei viele Menschen uns in der EU sehen, um einmal aus diesem Loch herauszukommen", sagte er.
Der islamisch-konservativen Regierung in Ankara wird vorgeworfen, ohne Rücksicht auf rechtstaatliche Grundsätze gegen Regierungskritiker vorzugehen. Allein seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli wurden zehntausende vermeintliche Regierungsgegner festgenommen oder vom Dienst suspendiert. Zuletzt hatte eine Festnahmewelle gegen Journalisten der Oppositionszeitung "Cumhuriyet" und gegen führende Vertreter der Opposition in Europa für Empörung gesorgt. Staatschef Recep Tayyip Erdogan hatte Ende Oktober angekündigt, das Parlament über die Wiedereinführung der Todesstrafe abstimmen zu lassen. AFP/dpa
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