Sonderparteitag: Steinbrück ist offiziell Kanzlerkandidat der SPD
Steinbrück wurde mit überragender Mehrheit zum SPD-Kanzlerkandidaten gewählt. Der CDU warf er vor, sie sei zur „bloßen Machtmaschine“ verkommen. Von einem Regierungswechsel ist er überzeugt.
Die SPD will mit ihrem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück im kommenden Jahr zurück an die Macht kommen und die schwarz-gelbe Koalition ablösen. „Es ist Zeit für einen Wechsel“, rief Steinbrück den Delegierten des SPD-Sonderparteitages am Sonntag in Hannover zu und bekannte sich klar für ein Regierungsbündnis von SPD und Grünen. Deutschland brauche „Veränderung statt Stillstand“, sagte Steinbrück und erklärte einem „halben Regierungswechsel“ eine klare Absage. Er stehe für eine große Koalition nicht zur Verfügung. Die rund 600 Delegierten wählten Steinbrück mit 93,45 Prozent zu ihrem Kanzlerkandidaten.
Zuvor hatte Steinbrück in einer mehr als eineinhalbstündigen Rede eine neue soziale Balance angemahnt. Unter einer von ihm geführten Bundesregierung werde es ein „neues soziales Gleichgewicht“ geben, sagte Steinbrück. Die Bundestagswahl sei eine „Richtungsentscheidung“, in der seine Partei für ein Deutschland stehe, in dem es „mehr Wir und weniger Ich“ gebe. Jeder müsse unabhängig von seiner Herkunft eine Chance auf sozialen Aufstieg haben.
Deutlich verwies der Herausforderer von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf die Traditionen der Sozialen Marktwirtschaft. Wenn immer mehr Menschen von ihrer Hände Arbeit nicht mehr leben könnten und gleichzeitig der Reichtum weniger am oberen Rand der Gesellschaft zunehme, dann werde das Versprechen von Freiheit und Chancengleichheit nicht mehr eingelöst. Die SPD werde das ändern und dazu eine klare Alternative zur Politik der regierenden Koalition aus Union und FDP anbieten, sagte Steinbrück zu. Der CDU warf er vor, sie sei zur „bloßen Machtmaschine“ verkommen und interessiere sich nicht mehr für die wahren sozialen Probleme im Land. Die Kanzlerin selbst bezichtigte er, sie habe Deutschland in Europa isoliert und unterschätze insbesondere die Bedeutung der Energiewende.
Für seinen Kurs des Politikwechsels nannte Steinbrück die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes, verbindlicher Frauenquoten und Investitionen in bessere Bildung, eine armutsfeste Rente und erschwingliche Mietwohnungen. Zur Finanzierung vor allem von Bildungsinvestitionen versprach Steinbrück die Anhebung des Spitzensteuersatzes, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und die Erhöhung der Erbschaftssteuer. Außerdem will er den Beitrag zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozent anheben und das Ehegattensplitting für neu geschlossene Ehen in der gegenwärtigen Form abschaffen.
Im Rahmen eines „Nationalen Aktionsplanes für Wohnen und Stadtentwicklung“ will Steinbrück außerdem im Fall eines Wahlsieges die soziale Stadtentwicklung vorantreiben und neue Förderprogramme im Mietwohnungsbau auflegen. Wählen ihn die Deutschen im September 2013 zum Kanzler, versprach er eine Staatsministerin für Gleichstellungsfragen im Kanzleramt zu installieren und die Energiewende zur „persönlichen Angelegenheit“ zu machen.
Mit harten Angriffen gegen die Union hatte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft den SPD-Sonderparteitag eröffnet. „Die CDU ist nur noch eine inhaltsleere Hülle, ein Merkel-Wahlverein“, sagte sie. Sie rief ihre Partei auf, geschlossen hinter dem Kandidaten zu stehen. “Lieber Peer, das ist heute dein Tag und wir stehen an deiner Seite“, sagte Kraft.
Parteichef Sigmar Gabriel zog anschließend Bilanz der Merkel-Politik: „Die Armut wächst, der Reichtum wächst und die Mittelschicht dazwischen wird zerrieben." Er sieht in der Bundestagswahl eine Richtungsentscheidung über mehr soziale Gerechtigkeit.
Der ehemalige Bundesfinanzminister Steinbrück wurde bereits Anfang Oktober vom SPD-Vorstand einstimmig nominiert. Die Wahl durch die 600 Delegierten ist geheim. Gerechnet wird mit einem Ergebnis von mehr als 90 Prozent.
Die Bundestagswahl findet im nächsten Herbst statt. Einen genauen Termin gibt es noch nicht. (dpa, AFP, REU)