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Die ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko.
© dpa

Ukraine: Steht Julia Timoschenko vor einem Comeback?

Am 25. Oktober werden in der Ukraine neue Bürgermeister und Regionalparlamente gewählt. Vor allem könnte die frühere Ministerpräsidentin Julia Timoschenko profitieren.

Der derzeitige Wahlkampf in der Ukraine – am 25. Oktober werden neue Bürgermeister und Regionalparlamente gewählt – überrascht viele. Vor allem wundern sich die Beobachter über die guten Umfragewerte für die frühere Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und deren Vaterlandspartei. Laut Umfragen würde die Partei derzeit stärkste Kraft werden. Timoschenko ist zusammen mit Präsident Petro Poroschenko die beliebteste Politikerin.

Die Meinungsforscher des Kiewer Instituts für Soziologie (KIIS) hatten Ende September aktuelle Umfragen erhoben. Demnach kommt Poroschenko auf 25 Prozent, Timoschenko erhält 21 Prozent. Mit den jüngsten Erhebungen setzt sich offenbar ein Trend fort, der in der Ukraine seit dem Frühsommer zu beobachten ist. Während die großen Regierungsparteien das Bündnis Block Petro Poroschenko und die von Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk geführte Narodni Front stagnieren oder kontinuierlich verlieren, kann Timoschenko zulegen.

Experten wie der Politologe Wolodymir Fesenko machen dafür zwei Entwicklungen verantwortlich. Zum einen sind die Wähler von der Regierung enttäuscht. Das kommt vor allem Ministerpräsident Jazenjuk zu spüren, dessen Partei es vorzog, erst gar nicht an den Kommunalwahlen teilzunehmen. Zum anderen verwirren die vielen Parteineugründungen: Allein in Kiew treten 29 Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters an, in anderen Großstädten ist das Bild ähnlich unübersichtlich.

Timoschenkos Partei ist für ukrainische Verhältnisse alt, sie existiert seit 1999. Die Parteichefin Julia Timoschenko musste zwar bei den beiden letzten Wahlen 2014 erhebliche Verluste einstecken. Im Mai verlor sie gegen Poroschenko im Rennen um die Präsidentschaft, bei den Parlamentswahlen im letzten Herbst übersprang die Partei knapp die Fünf-Prozent-Hürde. Trotzdem wurde sie Mitglied der Koalition und ist seither einer der lautesten Kritiker der Regierung, vor allem von Jazenjuk.

Timoschenko wettert gegen Jazenjuk

Ein Regierungsmitglied sagte dem Tagesspiegel, Poroschenko habe diese Strategie anfangs sogar gefördert. Der Präsident wollte eigentlich seinen Vertrauten, den jetzigen Parlamentssprecher Wladimir Groismann, zum Regierungschef machen. Nachdem die Parteien Jazenjuks und Poroschenkos beide auf 22 Prozent gekommen waren, blieb Jazenjuk Regierungschef. Timoschenko soll sogar eine Art Abmachung mit Poroschenko getroffen haben, Jazenjuk zu kritisieren, wann immer es möglich ist. Das Vorhaben verfehlte jedoch sein Ziel. Je stärker die Kritik an der Regierung wurde, desto mehr wurde auch Präsident Poroschenko beschädigt.

Die einzige, die von diesem Manöver einen Vorteil hatte, ist Timoschenko. Seit Monaten tritt sie in Talkshows auf und hält der Regierung eine verfehlte Politik vor. Worte wie "Schock ohne Therapie" oder "Tarife, die töten" sind mittlerweile im ganzen Land bekannt. Gemeint ist die von Regierungschef Jazenjuk verantwortete Wirtschaftsreform, die er selber als "Schocktherapie für das Land und für die Menschen" beschrieben hat. Tatsächlich sind im Land die Abgaben für Wasser, Energie, kommunale Gebühren und die Preise für Grundnahrungsmittel um teilweise um bis zu 170 Prozent gestiegen. Die Löhne und Gehälter sind gleichgeblieben, die Landeswährung Griwna hat seit Anfang 2014 fast 60 Prozent verloren, die Inflation beträgt 50 Prozent. Nach Schätzungen des Statistikamtes der Ukraine wartet ein Drittel aller Angestellten seit sechs Monaten auf die Auszahlung ihrer Löhne.

Experte Fesenko möchte sich dennoch nicht festlegen, wie die Wahlen ausgehen. „Viele Wähler entscheiden erst wenige Tage vor der Wahl, ob sie überhaupt wählen gehen.“

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