Reform der Grundsteuer: Stehen Union und SPD vor dem ersten Koalitionskonflikt?
Die Koalitionsfraktionen favorisieren bei der Grundsteuerreform unterschiedliche Modelle. Für Finanzminister Olaf Scholz könnte es unangenehm werden.
Steuert Schwarz-Rot schon auf den ersten handfesten Koalitionskonflikt zu? Wie es scheint, liegen Union und SPD bei einem Vorhaben auseinander, das in der vorigen Woche vom Bundesverfassungsgericht in Auftrag gegeben wurde: die Reform der Grundsteuer. Bis Ende 2019 muss der Gesetzgeber sich für ein neues Bewertungsmodell entscheiden, auf dessen Grundlage künftig Grundstücke und Gebäude besteuert werden. Ein Streit in der Koalition könnte sich daran aufhängen, dass es derzeit mindestens drei konkurrierende Reformmöglichkeiten gibt – der Koalitionsvertrag allerdings keine Festlegung getroffen hat.
Dort ist nur vermerkt, dass Union und SPD die Grundsteuer „unter Beachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, der Sicherung des derzeitigen Aufkommens sowie unter Beibehaltung des kommunalen Hebesatzrechtes“ neu regeln und auf eine „feste Basis“ stellen wollen. Da Karlsruhe inhaltlich keine Vorgaben gemacht hat außer der Maßgabe, dass die Bewertungsgrundlage regelmäßig zu erneuern ist, wenn die Steuer sich an den Grundstückswerten orientiert, sind Bundestag und Bundesrat in der Entscheidung frei.
In den Koalitionsfraktionen deuten sich unterschiedliche Vorstellungen an. Während die Finanzpolitiker der SPD-Fraktion offenbar dem Modell nahestehen, das 14 Bundesländer schon 2016 vorgelegt haben (und das im Bundestag am Einspruch der CSU scheiterte), favorisiert die Union offenkundig ein anderes Modell, das vor allem von Bayern und Hamburg vertreten wird. Da wird es ein bisschen pikant: Dass die Hansestadt sich vor zwei Jahren zusammen mit den Bayern gegen das Konsensmodell der anderen Länder (und damit auch gegen die SPD-Bundestagsfraktion) stellte, war eine Entscheidung von Olaf Scholz - der jetzt als Bundesfinanzminister bei der Kompromissfindung eine zentrale Rolle spielen muss.
"Kostenwert-Modell"
Der Entwurf der 14 Länder ist auch als "Kostenwert-Modell" bekannt und hat zumindest den Vorteil, dass es gesetzgeberisch und verwaltungstechnisch schon vorbereitet ist. Ein weiterer Pluspunkt: Der Städtetag unterstützt es auch. Und die Grundsteuer fließt allein den Kommunen zu, die Finanzverwaltungen der Länder erheben sie nur. Andererseits ist das Modell aufwändig, weil neben dem Bodenrichtwert auch die Herstellungskosten der Gebäude herangezogen werden. Daher sind viele Gebäudedaten zu erheben, was nur zum Teil durch Pauschalisierungen ersetzt werden kann.
Trotz der Vielzahl von Parametern (etwa Differenzierung nach Gebäudearten und eine Alterswertminderung) dürfte es in vielen Fällen zu Streit zwischen Kommunen und Eigentümern führen. Zudem würden Neubauten tendenziell höher belastet, was den Wohnungsbau nicht eben fördert. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte als Finanzsenator der Hansestadt 2016 gegen den Vorschlag votiert, weil er Immobilienbewertungen erwartete, die bis zum Zehnfachen höher liegen als bisher. Gerade in den Städten und Regionen, in denen die Boden- und Immobilienwerte weit überdurchschnittlich gestiegen sind seit der letzten Einheitsbewertung (im Westen 1964, im Osten 1935), ist mit massiven Steigerungen zu rechnen.
Dass diese in allen Fällen durch niedrigere Hebesätze aufgefangen werden können, kann man ausschließen – die Gefahr ist hoch, dass viele Unternehmen, Eigentümer und Mieter deutlich höher belastet werden als heute. Die meisten SPD-Ministerpräsidenten stehen aber weiter dahinter, auch die Grünen und die Linken in den Ländern favorisieren es – im Bundesrat gäbe es derzeit jedenfalls eine Mehrheit. Allerdings gibt es erste Distanzierungsversuche - der hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) etwa hat signalisiert, er könne sich auch andere Wege vorstellen.
"Südländer-Modell"
Das Modell von Hamburg und Bayern (das ursprünglich auch von Baden-Württemberg und Hessen unterstützt wurde, weswegen es auch immer noch als „Südländer-Modell“ firmiert) wäre einfacher zu verwirklichen – es setzt nämlich nicht auf den Wert von Grundstücken und Gebäuden, sondern allein auf die Bodenfläche und die Nutzungsfläche der Gebäude. Damit würden praktisch alle Immobilien gleich besteuert, freilich unabhängig vom Wert. Das Modell würde Eigenheime gegenüber Mehrfamilienhäusern (und damit den klassischen Miethäusern) bevorzugen, weswegen die Eigenheimlobby dafür ist, die Mieterverbände aber dagegen sind. In der Unionsfraktion will man ein möglichst einfaches und für die Verwaltungen kostengünstiges Verfahren, „damit der Senf nicht teurer wird als das Würstchen“, wie es der zuständige Fraktionsvize Ralph Brinkhaus formuliert. Er plädiert für eine Lösung „mit möglichst wenig Parametern“, und das wäre am ehesten das „Südländer-Modell“. Den Vorschlag der 14 Länder lehnt Brinkhaus ab.
Reine Bodenwertsteuer
Was die Unionsfraktion laut Brinkhaus auch nicht möchte, ist eine dritte Variante, die zunehmend Anhänger gefunden hat – die reine Bodenwertsteuer. Bei ihr blieben die Gebäudewerte völlig außen vor, neben der Grundstücksfläche wären die Bodenrichtwerte die Bemessungsgrundlage, und die sind (abgesehen von einigen ländlichen Regionen) flächendeckend verfügbar und auf einem aktuellen Stand. Die Befürworter sehen vor allem einen großen Vorteil: Unbebaute oder untergenutzte Grundstücke werden höher belastet als bebaute. Damit gilt die Bodenwertsteuer auch als Spekulationsbremse in Großstädten und als Anreizmittel für mehr innerstädtischen Wohnungsbau. Zu den Befürwortern gehören Umweltverbände und die Mieterlobby.
Auch zwei führende Wirtschaftsinstitute, das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, werben für die Bodenwertsteuer. DIW-Ökonom Stefan Bach spricht von einer „guten Lösung“, die mit geringem Bürokratieaufwand schnell zu realisieren sei und „eine effiziente Nutzung von Flächen fördert“.
Auch im Bundestag gibt es Sympathie dafür, etwa bei der Berliner SPD-Linken Cansel Kiziltepe. Sie schlägt vor, nun nicht in das „Hamsterrad der Kompromisssuche“ zwischen den Ländermodellen zu springen und stattdessen die Bodenwertsteuer als „einfache und gerechte Option“ umzusetzen. Interessant ist, dass im Koalitionsvertrag eine neue Grundsteuer C vereinbart wurde, um „die Verfügbarmachung von bebaubaren Grundstücken für Wohnbauzwecke zu verbessern“. Genau das aber würde gerade die Bodenwertsteuer am ehesten leisten. Dass der CSU-Wirtschaftspolitiker Hans Michelbach sich nun davon distanziert, deutet auf weitere Konfliktlinien in der Koalition hin.
Kompromissmöglichkeiten gibt es
Doch wird die Koalition wohl doch in das Hamsterrad klettern. Immerhin gibt es einige Möglichkeiten, die Ländermodelle zu verbinden. Zum einen hat Thüringen vor einigen Jahren einen Vorschlag gemacht, der wie das „Südländer-Modell“ bei der Grundstücksfläche ansetzt, aber die pauschale Flächenberechnung der Gebäude durch eine wertbasierte Berechnung ersetzt.
Einige Länder unter Federführung von Bremen hatten zudem einmal vorgeschlagen, doch einfach die Verkehrswerte als Bemessungsgrundlage zu nehmen, was jedoch als sehr aufwändig gilt. Auch zur reinen Bodenwertsteuer gibt es eine Alternative, bei der die Bebauung ebenfalls keine Rolle spielt: eine Bodensteuer, die nicht allen den Bodenrichtwert als Basis nimmt, sondern eine wertunabhängige Flächenkomponente hinzunimmt, was Verzerrungen innerhalb von Kommunen verringern kann.
Eine Abschaffung der Grundsteuer dürfte dagegen kaum das Ergebnis der Verhandlungen innerhalb der Koalition sein. Zwar wirft sie keine große Summe ab, gemessen am Gesamthaushalt des Staates. Aber die etwa 14 Milliarden Euro fließen allein den Kommunen zu, und für die ist die umstrittene Steuer eine Haupteinnahmequelle. Eine Abschaffung müsste also kompensiert werden, was Bund und Länder kaum schultern wollen. Nicht zu erwarten ist auch, dass der Bund die Gesetzgebung den Ländern überlässt, was durchaus möglich wäre.