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Nachrichtensprecherin Ri Chun Hee verkündet im nordkoreanischen Fernsehen den erneuten Atomwaffentest ihres Landes
© imago/Kyodo News

Atomtest in Nordkorea: Stärker als die Hiroshima-Bombe

Nordkorea führt einen Atomtest durch mit der bisher größten Sprengkraft. Im Rest der Welt löst die unterirdische Explosion Entsetzen und Empörung aus.

Nur für die wichtigsten politischen Nachrichten im nordkoreanischen Fernsehen geht Ri Chun Hee auf Sendung. Seit mehr als 40 Jahren verliest die Sprecherin politische Neuigkeiten von besonders großer Bedeutung, sie selber dürfte bereits über 70 Jahre alt sein, wie die „BBC“ berichtet. Für ihren Vortrag trägt sie traditionelle koreanische Trachten, gerne in Pink, und weint, schreit oder lacht mit großer Theatralik – je nach Nachrichtenlage. Bei der Sendung am Freitagmorgen verdeutlichten Ri Chun Hees aufrechter Körper und ihr Dauerlächeln, dass die folgende Botschaft das nordkoreanische Volk stolz und fröhlich stimmen soll. „Unsere Wissenschaftler und Techniker vom Institut für Nukleare Waffen haben auf dem nördlichen Testgelände eine nukleare Explosion ausgeführt, um die Kraft eines neuen nuklearen Sprengkopfes zu studieren“, sagte Ri Chun Hee – und ihre Stimme bebte vor Stolz.

Im Rest der Welt hingegen hat der insgesamt fünfte Atomtest Nordkoreas Entsetzen und Empörung ausgelöst. US-Präsident Barack Obama drohte der Führung in Pjöngjang am Freitag mit „ernsthaften Konsequenzen“, die Bundesregierung verurteilte den Test „mit aller Entschiedenheit“, das Auswärtige Amt bestellte den nordkoreanischen Botschafter ein. Auch China, Nordkoreas wichtigster Handelspartner, verurteilte den Atomwaffentest scharf: Nordkorea habe „trotz breiten internationalen Widerspruchs erneut einen Atomtest ausgeführt – die chinesische Regierung lehnt dies entschieden ab“, erklärte das Außenministerium in Peking. Die Vereinten Nationen dürften mit einer weiteren Verschärfung der ohnehin schon weitreichenden Sanktionen reagieren. Doch das alles scheint das Regime nicht zu kümmern.

Der Atomtest vom Freitag besaß eine deutlich erhöhte Sprengkraft

Nordkorea sei jetzt in der Lage, beliebig viele solcher Sprengköpfe für Raketen herzustellen, hieß es aus Pjöngjang. Die USA und Südkorea bezweifeln das. Besondere Besorgnis erregt allerdings auch bei ihnen die deutlich erhöhte Sprengkraft des Atomwaffentests vom Freitag. Am 68. Jahrestag der Staatsgründung Nordkoreas bebte die Erde im Norden des Landes mit einer Stärke von 5,3, auch in Nordostchina waren heftige Erschütterungen zu spüren. Der US-Experte Jeffrey Lewis vom Middlebury Institut Internationaler Studien in Kalifornien schätzt die Sprengkraft der Explosion auf 20 bis 30 Kilotonnen. Damit wäre der Atomtest stärker gewesen als die Hiroshima-Atombombe.

In Südkorea wird die Stärke des Atomwaffentests immerhin noch auf zehn Kilotonnen geschätzt. Auch das wäre mehr als beim letzten nordkoreanischen Test im Januar, der bis zu sechs Kilotonnen betragen haben dürfte. Ängste löst auch die zunehmende Frequenz aus, mit der Nordkoreas Diktator Kim Jong Un die unterirdischen Explosionen durchführen lässt. 2006, 2009 und 2013 testete das verarmte und hermetisch abgeriegelte Land je einmal eine nukleare Waffe, 2016 aber bereits schon zweimal. Das atomare Know-how Nordkoreas schreitet rapide voran – zum Entsetzen nicht nur der unmittelbar bedrohten Nachbarländer Südkorea und Japan.

Im internationalen Machtgefüge gelingt es Nordkorea geschickt, sich zwischen China und den USA zu positionieren. Die anhaltenden Spannungen zwischen beiden Großmächten „geben Nordkorea die Hoffnung, dass die USA und China sich niemals zusammen tun werden, um gemeinsame Maßnahmen zu ergreifen, das nordkoreanische Regime zu stürzen“, erklärt der NordkoreaExperte Scott A. Synder. Peking ermahnt Nordkorea zwar regelmäßig. Zu weiterreichenden Maßnahmen aber ist die Volksrepublik nicht bereit – weil sie Nordkorea geostrategisch als Pufferstaat zu Südkorea benötigt. Weshalb der fünfte Atomtest nicht der letzte gewesen sein dürfte. (mit dpa und rtr)

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