Der Wahlsieger in Sachsen: Stanislaw Tillich - weniger souverän als erhofft
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich hat sich ganz auf das Land konzentriert und sich eine eigene Mehrheit seiner CDU gewünscht. Das Ergebnis muss ihn ernüchtern.
Stanislaw Tillich will es sich nicht nehmen lasse: Ein „Superergebnis“ hätten er und seine Sachsen-Union da erreicht am Sonntag, sagt er in die Kameras. Doch auch wenn das Lächeln souverän wirkt, das Ergebnis ist es nicht. Zwar hat die sächsische CDU klar gesiegt, aber es ist ein Sieg mit Verlust. Sie ist mit 39,4 Prozent unter die Vierzigprozentmarke gerutscht. Und das wird Fragen an den Parteichef und Ministerpräsidenten nach sich ziehen. War es richtig, den Wahlkampf auf die Sommerferien zu legen? War es gut, sich nur auf Tillich und seine Popularität zu verlassen? Hätte er die AfD, von der man wusste, das sie ins eigene Wählerreservoir vordringt, härter anfassen sollen? Statt sie zu ignorieren und eine Koalition mit ihr lange nicht eindeutig auszuschließen. Und hat Tillich in der Schulpolitik, dem inhaltlichen Thema Nummer eins, in den letzten Jahren etwas falsch gemacht – trotz (oder vielleicht auch wegen) der Hymnen auf das Dauersiegerland in den Schultests?
Fragen werden kommen
Stanislaw Tillich bleibt im Amt, aber er wird nicht so regieren können, wie er es sich wohl erhofft hat. Denn der in der CDU längere Zeit gehegte Wunsch war es, ohne Koalitionspartner auszukommen. Fünf Jahre lang wieder mit eigener Mehrheit der Sitze schalten und walten zu können. Wie einst unter dem Übervater Kurt Biedenkopf. Natürlich nicht mit Ergebnissen von über 50 Prozent wie damals, das hatte der nüchterne und von Realismus geprägte Tillich nie im Visier. 42 oder 43 Prozent nannte er selbst zuletzt als Marke, nur wenig mehr hätte schon reichen können, je nach Konstellation im Landtag.
Nur noch das Land
Um dahin zu kommen, um deutlich besser abzuschneiden als 2009, als die CDU bei 40,2 Prozent landete, hat Tillich vor Längerem schon entschieden, sich völlig auf die Landespolitik zu konzentrieren. Er hat sich im Bundesrat ebenso zurückgehalten wie in der Bundespartei. Hat dem Hessen Volker Bouffier den Vortritt gelassen als Wortführer der schwarzen Ministerpräsidenten. Hat nichts dagegen gehabt, dass Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt und auch Christine Lieberknecht aus Thüringen, neuerdings auch Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem Saarland bundesweit stärker wahrzunehmen waren als der Ministerpräsident der CDU-Hochburg Sachsen.
Die Alleinregierung war für ihn, neben der Selbstbestätigung, auch deswegen ein Wunsch, weil er Konflikte gerne meidet. Zwar war die FDP keine allzu unangenehme Partnerin, aber ganz rund lief die Koalition nicht. Nun, da sie draußen ist, wird man in der CDU vielleicht überlegen, ob ein bisschen mehr Zuneigung zu den Freidemokraten im Wahlkampf nicht doch gut getan hätte. Denn nun bleiben als Koalitionspartnerinnen die SPD und wohl auch die Grünen. Die Aussicht auf Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün behagt Tillich wenig. Es wird dort weit mehr Konflikte geben. „Der Ministerpräsident mag keinen Streit“, sagt der SPD-Spitzenkandidat Martin Dulig, der Tillich in fünf Jahren gern in einer rot-rot-grünen Koalition ablösen möchte. Tillich hat es gern harmonisch.
In Harmonie mit dem Wahlvolk
Und in Harmonie mit dem Wahlvolk sollte der Wahlsieg gelingen. Tillich ist sehr populär in Sachsen, nach dem letzten Politbarometer vor der Wahl wünschten sich zwei Drittel den 55-jährigen Sorben weiterhin als Regierungschef. Insofern hat die ungeteilte Präsenz im Land, sich irgendwann verwandelnd in Dominanz, schon gewirkt. Tillich ist der Mittelpunkt der sächsischen Politik, und das war das Thema der CDU. Präsidial trat er auf, als sympathischer Wahrer sächsischer Interessen. Aber das Ergebnis muss ihn und die CDU ernüchtern. Und ganz souverän lief der Wahlkampf dann doch nicht, denn Lehrermangel und Unterrichtsausfall wurden breit debattiert, weil die Landesregierung auf Missstände an den Schulen erst spät reagiert hatte. Tillich hatte die Brisanz des Themas lange nicht erkannt. Das dürfte Stimmen gekostet haben. Da half ihm offenbar auch seine große Erfahrung nicht. Der Diplomingenieur für Getriebetechnik war Finanzminister, Umweltminister, Staatskanzleichef, Bundesratsminister, Europaabgeordneter, Mitglied der demokratisch gewählten Volkskammer 1990. Zum Ende der DDR hin fungierte er auch als Stellvertreter des Vorsitzenden des Rats des Kreises Kamenz, er trat schon 1987 in die CDU ein. Tillich ist ein eher vorsichtiger, abwartender, auch zögerlicher Politiker. Das entspricht seinem Naturell, ist aber auch Ergebnis der Erfahrungen in diesen Ämtern.
Landesbank-Desaster hat ihn vorsichtig gemacht
Vor allem ein Ereignis hat ihn wohl geprägt und ihn auch dazu gebracht, sich völlig auf die Landespolitik zu konzentrieren und die Fäden in der Hand zu halten: das Desaster der sächsischen Landesbank. Die hatte sich stark am US-Hypothekenmarkt engagiert und geriet mit dem Platzen der Immobilienblase 2007 ins Trudeln. Es folgte ein Notverkauf an die Landesbank Baden-Württemberg, am Landtag vorbei. Tillich trug dafür keine direkte Verantwortung, musste aber als Nachfolger des zurückgetretenen Finanzministers Horst Metz die Übergabeverhandlungen beenden. „Man hat da in ein tiefes schwarzes Loch geblickt“, sagte er später einmal. Ministerpräsident wurde er, als Georg Milbradt im Mai 2008 – ebenfalls wegen der Landesbankaffäre – das Amt aufgab. Nun geht Tillich in seine zweite volle Amtszeit. Als mittlerweile dienstältester Ministerpräsident der Union.