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Die Linke feiert ihren Wahlsieg.
© imago images/Karina Hessland
Update

Pressestimmen zur Landtagswahl: „Stabile deutsche Politik ist Vergangenheit"

Wie geht es nach der Wahl in Thüringen weiter? Was bedeuten die Ergebnisse für das politische Klima? Die Kommentare nationaler und internationaler Medien.

Triumph für die Linkspartei in Thüringen, Debakel für die CDU, die AfD weiter im Höhenflug in Ostdeutschland: Bei der Landtagswahl am Sonntag konnte Ministerpräsident Bodo Ramelow seine Partei erstmals zur stärksten Kraft führen. Das sagen nationale und internationale Medien zur Landtagswahl:

Spiegel Online: „CDU und/oder FDP sollten ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht werden - und sich einem Bündnis mit dem Linken-Ministerpräsidenten Ramelow nicht verschließen. Sie sollten erkennen: Der Gegner steht rechts."

Nürnberger Nachrichten: „Eine Partei steuert immer unverhohlener ins Radikale - und selbst das bremst ihren Aufstieg nicht. Ein Alarmzeichen, das alle Demokraten zum Nachdenken zwingen muss. Und auch zu ungewohnten Experimenten. Thüringen wird so zum Labor für eine Parteiendemokratie im dramatischen Wandel. Es geht auch darum, wie freiheitlich, offen, bunt und pluralistisch dieses Land sein und bleiben will."

Zeit Online: „Aber auch wenn viele jetzt vor allem Schock, Schmerz und Wut empfinden, sollten diese Gefühle etwas nicht verdecken, das am Anfang dieses Jahres nur eine vage Hoffnung war: dass nämlich die große Katastrophe für den Osten abgewendet ist. Dass der Alptraum vorbei ist, in dem die AfD am Ende in Sachsen, Brandenburg oder Thüringen den ersten Platz belegt hätte."

Die Welt: „Die Linkspartei gewinnt dann, wenn sie es wagt, so zu sein, wie die SPD einmal war. Der Wahlsieger Bodo Ramelow ist Pragmatiker, sein Regierungskurs war moderat und im Vergleich zu dem, was der rot-rot-grüne Senat in Berlin an sozialistischer Politik in SED-Manier abzieht, geradezu vernünftig. Thüringen hin oder her, das Wahljahr 2019 hat deutlich gemacht: Die Linke hat den Osten verloren, sie ist dort keine Volkspartei mehr.“

Kölner Stadt-Anzeiger: „Es ist richtig, dass sich die demokratischen Parteien von Höcke & Co. klar distanzieren und sie nicht mit einer Zusammenarbeit aufwerten. In einen Wettbewerb der Empörungsrituale darf diese Haltung jedoch nicht führen. Die AfD muss auf der Sachebene gestellt werden und immer wieder nach ihren Konzepten - die sie in vielen Politikfeldern nicht hat - gefragt werden."

Süddeutsche Zeitung:„ Wähler können eine Demokratie auch dann schleifen, wenn sie dies gar nicht wollen. Ein Bauchgefühl hat seinen Wert, niemand handelt unverantwortlich, wenn er sich die Lektüre von Parteiprogrammen erspart. Es wäre aber schon gut, wenn auch der gesunde Menschenverstand eingeschaltet bliebe. Höcke ist einer, der sagt, Deutschland solle 'noch eine tausendjährige Zukunft' haben. Man muss sich nicht täglich mit Politik beschäftigen, um zu spüren: Um mehr Hausärzte oder Erzieherinnen in der Kita geht es so jemandem eher nicht."

Thüringer Allgemeine: „Dieser Abend der Rekorde mag ein Fest für Statistik-Fans gewesen sein. Thüringen aber könnte er ins politische Chaos führen – samt Neuwahl. Die Parteien der Mitte wurden zwischen Linken und AfD aufgerieben. Der Lagerwahlkampf hat sich in Zahlen manifestiert.“

Die Presse aus Wien: „Der Triumph der Linken ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Partei in ihren anderen ostdeutschen Hochburgen zuletzt massiv Wähler verloren hat. Und dieser Erfolg trägt einen Namen. Bodo Ramelow. (...) Das Thüringen-Ergebnis ist wegen der addierten Stärke der Randparteien ein Sonderfall. Andererseits verstetigt sich ein Trend: Die Parteien der Großen Koalition werden abgestraft. Sie verlieren fast überall und massiv Wähler. Das Ergebnis ist deshalb auch der nächste Dämpfer für CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die in diesen Tagen in der Hauptstadt mit ihrem Vorstoß für eine Schutzzone in Syrien polarisiert.“

Der Standard aus Wien: „Erneut haben SPD und CDU verloren, damit setzt sich jene Abstrafung der GroKo-Parteien fort, die schon in Brandenburg und Sachsen am 1. September zu sehen war und die auch in den Bundesparteien für lange Gesichter sorgt."

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke).
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke).
© Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Neue Zürcher Zeitung: „Gedanken machen muss sich vor allem die CDU. Sie hat 12 Prozentpunkte verloren und steht vor einer schweren Entscheidung: Gibt sie eine ihrer zentralen Überzeugungen auf und geht eine Koalition mit der Linkspartei ein? Od ist sie wenigstens bereit, eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung unter dem linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zu tolerieren?" Und weiter: „ Ein positiver Nebeneffekt einer Koalition mit der Linkspartei wäre, dass die weisungsfreudige, aber schwach besetzte CDU-Parteizentrale in Berlin einmal durchgeschüttelt oder gar personell erneuert würde."

New York Times zur AfD: „Die Partei hat keine Chance zu regieren, denn alle anderen Parteien haben eine Zusammenarbeit mit ihr ausgeschlossen. Aber ihr starkes Abschneiden wird wahrscheinlich auf andere Weise nachhallen. Das Wahlergebnis könnte die Macht von Björn Höcke, Parteichef in Thüringen und berüchtigtste Figur der Partei, weiter stärken.“

De Tijd aus Brüssel: „Die Landtagswahlen in Thüringen machen auf jeden Fall deutlich, dass das Bild einer stabilen deutschen Politik der Vergangenheit angehört. Ähnlich wie in anderen europäischen Ländern - etwa in Belgien oder auch in Spanien - sind die Karten so gemischt, dass eine Regierungsbildung nicht mehr klar auf der Hand liegt. Und die politische Mitte in einem unheimlich schnellen Tempo schrumpft.“

(TSP/AFP/dpa)

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