Prozess um Abschuss von Flug MH17: Staatsanwaltschaft wirft Moskau „zynische Desinformationskampagne“ vor
Schwere Vorwürfe der Ankläger im MH17-Prozess: Es gebe Anzeichen dafür, dass die russische Regierung die Untersuchung behindern wolle.
Im Strafprozess um den Abschuss der malaysischen Passagiermaschine MH17 über der Ostukraine richtet die Staatsanwaltschaft schwere Vorwürfe an die Adresse Russlands. Es gebe Anzeichen dafür, dass die russische Regierung die Untersuchung behindern wolle, sagte Staatsanwalt Thijs Berger am Dienstag im Gericht in Badhoevedorp bei Amsterdam.
Der Strafprozess soll den Absturz der Boeing 777 der Malaysia Airlines ahnden, die im Sommer 2014 im Kriegsgebiet abgestürzt war. Alle 298 Insassen, darunter 80 Kinder, waren ums Leben gekommen. Angeklagt sind vier prorussische Rebellen wegen 298-fachen Mordes. Sie erschienen nicht vor Gericht.
Russland weist die Verantwortung zurück
Staatsanwältin Dedy Woei-a-Tsoi warf Moskau offen eine Desinformationskampagne vor. Die russischen Behörden hätten bisher keine endgültige Haltung zum Ablauf der Ereignisse vom 17. Juli 2014 eingenommen. Stattdessen würden Ermittlungsergebnisse in Zweifel gezogen. „Die zynische Desinformationskampagne zum Schicksal von Flug MH17, die seit über fünf Jahren läuft, ist eine schwere Belastung für viele Angehörige“, sagte die Staatsanwältin.
Russland weist eine Verantwortung für die Flugzeugkatastrophe zurück, die zu den schlimmsten der vergangenen Jahrzehnte gehört. Kremlsprecher Dmitri Peskow lehnte in Moskau erneut einen Kommentar zu dem Prozess ab, da sein Land nicht an den Ermittlungen beteiligt worden sei.
Viele Zeugen bleiben aus Sicherheitsgründen anonym
Eine Untersuchung des Fall ohne Teilnahme Russlands sei aussichtslos, ergänzte der russische Diplomat Alexander Lukaschewitsch. „Es gibt eine starke Politisierung, aber ein professioneller Austausch zu diesem Thema ist nicht möglich“, beklagte der Vertreter bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Alle Beteiligten seien voreingenommen, was Russlands Rolle angehe. Russland habe stets betont, dass es im Einklang mit dem UN-Sicherheitsrat an einer Aufklärung der Wahrheit interessiert sei.
Staatsanwalt Berger erklärte, viele Zeugen blieben in dem außergewöhnlichen Fall aus Sicherheitsgründen anonym. Sie würden um ihr Leben fürchten, falls ihre Identität bekannt werden sollte. In dem Zusammenhang wies er auf die Beteiligung von Sicherheitsdiensten wie des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB und des militärischen Auslandsgeheimdienstes GRU an Morden in anderen Ländern hin.
Appell an die Beschuldigten, sich zu äußern
Den vier Angeklagten wird vorgeworfen, am Einsatz eines aus Russland in die Ostukraine gebrachten Luftabwehrsystems des Typs Buk beteiligt gewesen zu sein. Eine vom Separatistengebiet aus abgeschossene Rakete russischer Bauart soll dann den Absturz des Flugzeuges verursacht haben. Russland steht in der Kritik, denn Moskau unterstützt seit Ausbruch des Kriegs in der Ostukraine im Frühjahr 2014 die Separatisten nach Kräften.
Die Anklage appellierte an die Beschuldigten, sich zu äußern und wichtige Fragen der Ermittler zu beantworten. Nur der Russe Oleg Pulatow, der eine führende Rolle im Geheimdienst der selbst ernannten Republik Donezk gespielt haben soll, lässt sich vor Gericht von Anwälten vertreten. Er hatte mitteilen lassen, nicht verantwortlich zu sein.
Der Prozess wurde nach Abschluss des zweiten Sitzungstages auf den 23. März vertagt, wie das Gericht mitteilte. Zunächst geplante Sitzungstage in der laufenden Woche finden nicht statt. (dpa)