Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Landrat von Ahrweiler
Wurde in Ahrweiler zu spät vor den Wassermassen gewarnt und evakuiert? Dem Landrat wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. Und auch in NRW wird ermittelt.
Die Staatsanwaltschaften in Koblenz und Köln haben nach der Flutkatastrophe Mitte Juli mit mindestens 189 Toten Ermittlungen eingeleitet. Gegen den Landrat des von der Katastrophe besonders betroffenen rheinland-pfälzischen Landkreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), werde ermittelt, es gehe um den Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen am Abend des Hochwassers vom 14. Juli, teilte die Koblenzer Behörde am Freitag mit.
Die Ermittlungen in Nordrhein-Westfalen richten sich gegen Unbekannt, erklärte die Kölner Staatsanwaltschaft. Dort gehe es um den Verdacht der Baugefährdung im Zusammenhang mit der Havarie der Blessemer Kiesgrube.
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Der Anfangsverdacht der Koblenzer Staatsanwaltschaft richtet sich gegen den Landrat, weil dieser laut Gesetzeslage „möglicherweise die Einsatzleitung und alleinige Entscheidungsgewalt hatte“. Außerdem ging es um ein weiteres Mitglied des Krisenstabs, das nach den derzeitigen Erkenntnissen die Einsatzleitung „zumindest zeitweise übernommen hatte“, erklärte die Staatsanwaltschaft weiter.
Ihr zufolge besteht der Anfangsverdacht, dass ein entsprechendes Unterlassen jedenfalls für einen Teil der Todesfälle und der entstandenen Personenverletzungen „(mit)ursächlich“ geworden sei. Eine Auswertung von Todesermittlungsverfahren zu Flutopfern habe ergeben, dass sich die Todesfälle überwiegend flussabwärts von Ahrbrück aus mit einem großen Schwerpunkt in der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler ereignet hätten.
Landrat Pföhler zeigte sich laut Staatsanwaltschaft kooperativ, teilte jedoch mit, dass er die Einsatzleitung delegiert habe. Er habe sich zudem in der relevanten Zeit weit überwiegend nicht in Kreisverwaltung aufgehalten. "Er sieht daher bei sich keine strafrechtliche Verantwortung für mögliche Einsatzfehler", sagte Kruse.
Eine Sprecherin der Kölner Staatsanwaltschaft erklärte, es werde auch die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen möglicher Versäumnisse von Verantwortlichen bei der Flutkatastrophe geprüft. Ähnlich äußerten sich Sprecher der Staatsanwaltschaften Bonn und Aachen.
Im Ahrtal werden noch immer 16 Menschen vermisst
Extremer Starkregen hatte am 14. und 15. Juli an der Ahr im Norden von Rheinland-Pfalz eine Flutwelle ausgelöst und weite Teile des Tals unter Wasser gesetzt. Rund 42.000 Menschen sind von den Folgen des Hochwassers betroffen. Die Zahl der Toten im Ahrtal liegt mittlerweile bei 142, noch immer werden 16 Menschen vermisst.
In Nordrhein-Westfalen gab es bei dem Unwetter 47 Tote. Hinzu kamen enorme Sachschäden. In Blessem (Rhein-Erft-Kreis) nahe Köln war in der Nacht zum 16. Juli der Boden nahe einer Kiesgrube am Fluss Erft weggerutscht, nachdem Starkregen bei der Flutkatastrophe die Grube geflutet hatte. Mehrere Gebäude wurden mitgerissen, es gab keine Toten.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte eine umfassende Aufklärung zum Tod von zwölf Bewohnern einer Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung in Sinzig (Rheinland-Pfalz). Bereits vor der Flut sei klar gewesen, dass sich die hilfsbedürftigen Bewohner nicht selbst retten könnten.
„Mit dem Strafrecht allein wird diese Katastrophe nicht aufzuarbeiten sein“, sagte der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch. „Es bedarf der Aufklärung und persönlicher Konsequenzen aller Verantwortlichen.“ Die am Ufer der Ahr gelegene Einrichtung der Lebenshilfe mit 34 Wohnplätzen war in kurzer Zeit überflutet worden. (dpa)