Kritik an Brandenburger NSU-Ausschuss: Staatsanwaltschaft erkennt keine Lüge bei Sachsens Verfassungsschutz-Chef
Im Bericht von Brandenburgs Untersuchungsausschuss entsteht der Eindruck, Sachsens Verfassungsschutzchef habe gelogen. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders.
Der NSU-Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtags hat offenbar fahrlässig den Chef des sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath, dem Verdacht einer Lüge ausgesetzt. Bereits am 9. Juli hatte die Staatsanwaltschaft Potsdam deshalb den Untersuchungsausschuss gerügt, erfuhr der Tagesspiegel. Im Schlussbericht des Ausschusses sei ein Teil „aus dem Zusammenhang gerissen“, hieß es zur Begründung.
Genau diese nun beanstandete Passage in dem Bericht hat es aber in sich. Es geht darum, ob Meyer-Plath in den 1990er Jahren einem V-Mann bei der Verbreitung von rechtsextremer Propaganda geholfen hat. In dem Bericht entsteht der Eindruck, Meyer-Plath habe das wider besseres Wissen bestritten.
Deshalb hatte der Obmann der Linksfraktion im Ausschuss, der frühere brandenburgische Justizminister Volkmar Schöneburg, im Juni öffentlich den Verdacht geäußert, Meyer-Plath habe bei der Befragung durch den Ausschuss unwahre Angaben gemacht. Die Staatsanwaltschaft sieht jedoch keinen Anfangsverdacht auf eine falsche uneidliche Aussage und lehnt es ab, gegen Meyer-Plath zu ermitteln.
Verfassungsschützer Meyer-Plath selbst begrüßt die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, dass seine Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen seien. „Ich erwarte nun vom Brandenburger Landtag, dass diese Passagen korrigiert werden“, sagte Meyer-Plath dem Tagesspiegel.
Er verwahrt sich dagegen, dass sein Ruf durch eine missverständliche Passage im Schlussbericht des Untersuchungsausschusses geschädigt werden könnte. Seit 2012 leitet Meyer-Plath den Verfassungsschutz in Sachsen, zuvor war er für den Nachrichtendienst in Brandenburg tätig.
Kurz nach Bekanntwerden des Vorwurfs der Lüge gegen Meyer-Plath wurde er im sächsischen Innenministerium „förmlich angehört“. Das Ministerium teilte am Freitag mit, nach dem Prüfverfahren der Staatsanwaltschaft stehe fest, dass sich Meyer-Plath bei seiner Zeugenvernehmung im Ausschuss „korrekt verhalten hat und die gegen ihn öffentlich geführten Anschuldigungen nicht zutreffen“.
Aussagen missverständlich verkürzt
Auf Seite 320 des Schlussberichts, den der Ausschuss Anfang Juni präsentierte, werden Aussagen von Meyer-Plath und des früheren Sicherheitschefs der JVA Brandenburg im Ausschuss in komprimierter Form gegeneinander gestellt. So entsteht der Eindruck, Meyer-Plath habe angeblich wider besseren Wissens bestritten, dem inhaftierten V-Mann „Piatto“ Beutel mit Post gebracht und damit sogar bei der Herstellung des rechtsextremen Propagandaheftes „United Skins“ im Gefängnis geholfen zu haben.
Bei dem Spitzel handelte es sich um den Neonazi Carsten Szczepanski. Meyer-Plath, der 1994 in den Brandenburger Nachrichtendienst eintrat, war von 1997 an einer der beiden V-Mann-Führer von „Piatto“. Szczepanski hatte sich 1994 aus der Untersuchungshaft heraus dem Verfassungsschutz als Spitzel angeboten. Der Neonazi saß wegen versuchten Mordes an einem Nigerianer hinter Gittern.
Meyer-Plath wird im Schlussbericht auf Seite 320 mit der Aussage vom April 2018 zitiert, er habe keine Post für Piatto ins Gefängnis gebracht. Dagegen geschnitten wird die Angabe des Ex-Sicherheitschefs der JVA vom Juli 2018, Meyer-Plath habe mehrmals Beutel mit Unterlagen übergeben. Die Staatsanwaltschaft Potsdam las nun allerdings nicht nur den Schlussbericht, sondern die gesamten Protokolle der Aussagen von Meyer-Plath und dem früheren Sicherheitschef zum Thema Piatto. Der Fall stellte sich dann anders dar.
Der Ausschuss hatte Meyer-Plath zu einem Postfach befragt, dass der Verfassungsschutz außerhalb der JVA für Piatto eingerichtet hatte. Meyer-Plath sagte im April 2018 aus, er habe keine Post aus dem Postfach ins Gefängnis gebracht. Der Ex-Sicherheitschef der JVA hatte sich im Ausschuss nur zu der Übergabe von Beuteln durch Meyer-Plath im Zusammenhang mit der Postkontrolle innerhalb des Gefängnisses geäußert.
Es liege kein Widerspruch zur Aussage des Verfassungsschützers vor, heißt es in der Verfügung der Staatsanwaltschaft. Außerdem wären „etwaige Vorwürfe“ der aktiven Beihilfe zur Herstellung des Fanzines „United Skins“ längst verjährt. Die Staatsanwaltschaft sagt allerdings auch, es sei nicht zu erkennen, Schöneburg habe „in ungerechtfertigter Weise ein Verfahren gegen Meyer-Plath“ erwirken wollen.
V-Mann gab Tipp zum NSU-Trio
Der Fall Piatto lieferte schon vor dem aktuellen Disput Stoff für Diskussionen. Carsten Szczepanski hatte 1998, er befand sich bereits im offenen Vollzug, dem Brandenburger Verfassungsschutz vage von drei untergetauchten „Skinheads“ berichtet. Es handelte sich um die im Januar 1998 aus Jena verschwundenen NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe.
Der Verfassungsschutz gab den Hinweis an die Thüringer Behörden weiter, die Terrorzelle blieb jedoch unentdeckt. Vor allem Angehörige der vom NSU ermordeten Migranten stellen die Frage, ob 1998 der NSU hätte frühzeitig gestoppt und die Serie von Anschlägen verhindert werden können. Im Münchener NSU-Prozess trat Szczepanski als Zeuge auf, konnte oder wollte aber zu seinem Hinweis von 1998 wenig sagen.