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Die Polizei beobachtet die Geflüchteten an Bord der "Diciotti" im Hafen von Catania.
© Giovanni Isolino/AFP

Italien: Staatsanwalt ermittelt wegen Freiheitsberaubung für Geflüchtete auf "Diciotti"

Die Geflüchteten an Bord der "Diciotti" durften in Italien nicht an Land gehen. Das ruft den Staatsanwalt auf den Plan. Innenminister Salvini ist unbeeindruckt.

Im Hafen von Catania konnten am Mittwoch wenigstens 29 unbegleitete minderjährige Geflüchtete an Land gehen. „Für Kinder haben wir Italiener ein großes Herz. Aber die Erwachsenen, die bleiben an Bord“, erklärte Innenminister Matteo Salvini auf Facebook. Die Minderjährigen befanden sich zusammen mit 148 Erwachsenen an Bord der „Diciotti“, einem Schiff der italienischen Küstenwache. Es liegt seit Anfang dieser Woche im Hafen von Catania vor Anker; zuvor dümpelte es tagelang vor der Insel Lampedusa, wo dem Schiff die Einfahrt in den Hafen verweigert wurde. Italiens rechtsradikaler Innenminister und Chef der fremdenfeindlichen Lega will die erwachsenen Flüchtlinge erst an Land lassen, wenn er von anderen EU-Ländern verbindliche Zusicherungen erhält, dass sie die Migranten übernehmen.

Dass einem Schiff der italienischen Küstenwache zunächst die Einfahrt in einen italienischen Hafen verweigert wird und jetzt weiterhin fast 150 Menschen festgehalten werden, verstößt mutmaßlich nicht nur gegen Gesetze und internationale Vereinbarungen, sondern auch gegen die italienische Verfassung. Das hat inzwischen auch der Staatsanwalt der sizilianischen Stadt Agrigento, Luigi Patronaggio, festgestellt. Er hat eine Voruntersuchung unter anderem wegen Freiheitsberaubung eingeleitet – „gegen Unbekannt“. Zuvor hatte Patronaggio das Schiff persönlich inspiziert. „Es ist grauenhaft. Fast alle Flüchtlinge haben die Krätze“, erklärte der Staatsanwalt danach. Auf Freiheitsberaubung stehen in Italien bis zu acht Jahre Gefängnis.

Italiens Innenminister legt sich mit allen an

Salvini fühlte sich von Patronaggio angesprochen – und zeigte sich unbeeindruckt: „Ich bin nicht unbekannt. Ich bin Matteo Salvini, Senator und Innenminister Italiens mit dem Mandat, die Grenzen zu verteidigen und mich um die Sicherheit dieses Landes zu kümmern“, erklärte er auf Facebook. „Wollt ihr mir den Prozess machen? Dann macht mir eben den Prozess.“ Aber mit seiner Erlaubnis werde die „Diciotti“, von den Kindern abgesehen, niemand verlassen. Wenn Staatspräsident Sergio Mattarella oder Ministerpräsident Giuseppe Conte intervenieren wollten, dann sollen sie es tun. „Aber meiner Ansicht nach hat Italien seinen Teil bei der Aufnahme von Flüchtlingen erfüllt. Wenn Europa seinen Teil weiterhin nicht leistet, dann können die Schiffe von mir aus wieder so abfahren, wie sie angekommen sind.“

Italiens Innenminister legt sich mit allen an. Das gleiche Spiel hatte Salvini bereits Mitte Juli gespielt, als er 67 Flüchtlinge, die sich ebenfalls auf der „Diciotti“ befanden, im sizilianischen Pozzallo nicht an Land lassen wollte, ehe die europäischen Partner einlenkten. Mattarella hat dem Spuk damals mit einem Machtwort ein Ende gesetzt. Diesmal hat sich das Staatsoberhaupt zurückgehalten – italienische Medien berichteten jedoch, dass Mattarella besorgt sei über die erneute Eskalation und dass er seine Besorgnis gegenüber Premier Conte deutlich gemacht habe.

Für die Opposition ist das Festhalten der Flüchtlinge auf dem Schiff der Küstenwache nichts anderes als Kidnapping und ein Erpressungsversuch gegenüber den europäischen Partnern. Ein Erpressungsversuch, auf den im Unterschied zu früheren, ähnlich gelagerten Fällen bisher kein EU-Partner eingegangen ist. Am Mittwoch hat sich auch Ex-Premier Paolo Gentiloni in die Diskussion eingeschaltet, dessen Regierung es vor einem Jahr gelungen war, die Zahl der Bootsflüchtlinge um 80 Prozent zu reduzieren. „Der Innenminister steht nicht über dem Gesetz, er führt nicht die Regierung, er kommandiert nicht die Küstenwache und er begnadigt auch keine Kinder und verurteilt keine Erwachsenen. Das Geschehen auf der ,Diciotti’ ist eine nationale Schande“, erklärte Gentiloni auf Twitter.

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