Libanesische Islamisten-Miliz Hisbollah: Spenden sammeln für den Terror - keinen hat's gestört
Die Hisbollah zählt zwar zu den gefährlichsten Terrortruppen der Welt. Wer sich mitten in Berlin für die Islamisten engagiert, braucht dennoch keine Konsequenzen vom Innensenator zu fürchten. Ein Kommentar.
Zugegeben, reich wird man nicht, wenn man auf dem Berliner Alexanderplatz um Spenden für eine islamische Terrororganisation wirbt. Diese Erfahrung musste ich am vergangenen Dienstag machen. Nur wenige Passanten nahmen sich Zeit, um auch nur einen Blick auf das Schild zu werfen, mit dem ich um einen Finanzzuschuss bat. Keinen einzigen brachte ich dazu, tatsächlich nach dem Portemonnaie zu greifen.
Auch nicht die Dame im fortgeschrittenen Alter, die ich immerhin in ein kurzes Gespräch verwickeln konnte: „Um was geht’s denn?“, fragt sie. „Um Spenden für die libanesische Terrororganisation Hisbollah“, antworte ich wahrheitsgemäß und hielt ihr erwartungsfroh die Spendendose entgegen. Erfolg war mir keiner beschieden: „Dit lassen wa lieber, junger Mann“, sagte sie und lief davon. Spenden sammeln für eine Terrororganisation - klingt irre? Stimmt. Noch verrückter allerdings klingt, was die Berliner Sicherheitsbehörden dazu zu sagen haben.
Doch der Reihe nach. Tatsächlich gibt es gute Gründe, Reißaus zu nehmen, wenn die Hisbollah irgendwo auftaucht. Denn bei der Schiiten-Miliz aus dem Libanon handelt es sich nicht um irgendeine Terrororganisation. Es handelt sich um die gefährlichste, die sich im Nahen Osten herumtreibt: Denn wenn Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah nach einem militärischen Abenteuer ist, stehen 25.000 Kämpfer Gewehr bei Fuß und warten auf den Marschbefehl. Und der wurde zuletzt häufiger erteilt. Etwa im barbarischen Krieg, den Syriens Regime gegen die eigene Zivilbevölkerung führt. Egal ob in Aleppo oder Homs: Wo immer Diktator Baschar al Assad in den vergangenen Jahren mordete, mordeten Hisbollah-Schergen mit ihm.
Vom iranischen Regime gegründet, trainiert und finanziert, terrorisiert die Truppe dabei längst nicht mehr nur den Orient, sondern hat ihre Kampfzone auf den gesamten Globus ausgeweitet. Anschläge der Hisbollah galten Zielen in Afrika, Asien, Amerika und Europa. Auch die deutsche Hauptstadt musste unter dem Terror der Islamisten leiden. 1992 stürmte der in Deutschland lebende Iraner Kazem Darabi gemeinsam mit drei Helfershelfern das Restaurant Mykonos in Berlin-Wilmersdorf.
Im Auftrag der iranischen Regierung erschossen die Hisbollah-Terroristen damals vier iranisch-kurdische Exilpolitiker. Sollte Terrorchef Nasrallah irgendwann auf die Idee kommen, erneut einen Anschlag in Berlin zu verüben, kann er beim örtlichen Personalpool aus dem Vollen schöpfen: 250 Hisbollah-Mitglieder zählt der Berliner Verfassungsschutz in der deutschen Hauptstadt.
Völlig unbeeindruckt von dieser Schlagkraft zeigt sich ausgerechnet Frank Henkel. Der Berliner Innensenator hat zwar die Sicherheitspolitik zum zentralen Thema seiner Wahlkampagne gemacht; hat seinen Wählern ein Burka-Verbot, ein Terrorismusabwehrzentrum und mehr Videoüberwachung im Kampf gegen den Terrorismus versprochen. Ein Verbot der Hisbollah allerdings stellte er ihnen nicht in Aussicht – weder im Wahlprogramm noch in der „Berliner Erklärung“, die er gemeinsam mit einer Reihe von anderen Innenexperten seiner Partei verabschiedet hatte, war davon die Rede.
Sie haben richtig gelesen: Trotz ihrer Gräueltaten ist die Hisbollah weder in Berlin noch im Rest des Landes verboten. Oder genauer gesagt: nur ein kleines bisschen. Grund ist ein geschicktes Manöver von Hisbollah-Chef Nasrallah: Der hat seine Gefolgschaft in der Vergangenheit nicht nur mit Sturmgewehren und Handgranaten ausgerüstet, nein, er hat sie auch dazu angehalten das libanesische Parlament und die Regierung zu unterwandern.
Unter Europäern hat das für Verwirrung gesorgt. Wer ist dieser Nasrallah denn nun? Darth Vader oder Vater Theresa? George Vella ist von letzterem überzeugt: 2013 warnte Maltas Außenminister seine europäischen Amtskollegen ausdrücklich davor, die Hisbollah auf die EU-Sanktionsliste zu setzen. Der Libanon könne durch einen solchen Schritt destabilisiert werden, sagte der Malteser damals allen Ernstes.
Man stelle sich vor, Vella hätte während der blutigen Monate des Deutschen Herbstes die Rote Armee Fraktion als Stützpfeiler der deutschen Demokratie gelobt – der Groll der Bundesregierung wäre ihm sicher gewesen. Weil es aber eben nicht um Deutschland, sondern den Libanon ging, konnte Vella auf deutsches Wohlwollen hoffen. Denn auch die Bundesregierung wollte die Hisbollah keineswegs verdammen. Gemeinsam mit anderen EU-Staaten legte das Auswärtige Amt stattdessen einen Antrag vor, in dem zwischen dem „politischen“ und dem „bewaffneten Flügel“ der Hisbollah unterschieden wurde: Der politische Terrorismus sollte legal, der bewaffnete hingegen verboten werden. Nach kurzer Debatte wurde der Antrag von allen EU-Mitgliedsstaaten angenommen.
Noch während die Europäer ihre Einigung feierten, schüttelte der Rest der Welt ungläubig den Kopf. Denn wo die Europäer zwei Organisationen sahen, konnten die USA, Kanada und Israel lediglich eine erkennen. Peinlicherweise wollte nicht einmal die Hisbollah selbst etwas von der europäischen Unterscheidung wissen. „Wir haben nicht einen militärischen und einen politischen Flügel“, sagte Naim Kassim in einem Interview. Die Organisation habe lediglich eine Führung und jedes politische, soziale und dschihadistische Engagement sei dieser einen Führung untergeordnet. Kassim muss es wissen: Er ist der stellvertretende „Generalsekretär“ der Terrororganisation.
Dass die europäische Entscheidung weitreichende Folgen hat, beweist meine fragwürdige Spendensammlung am Alexanderplatz. Denn Frank „Sheriff“ Henkel mag ein tapferer Kämpfer für mehr Sicherheit in der Hauptstadt sein. Gegen mein Hisbollah-Engagement im Stadtzentrum hätte er dennoch nichts unternehmen können: Keine Anklage, keine Haftstrafe – ja nicht einmal ein winziges Ordnungsgeld droht mir von Behördenseite, wie mich der Berliner Polizeipräsident auf Nachfrage wissen lässt:
„Aktivitäten zur Unterstützung des nicht sanktionierten Teils der Hisbollah sind grundsätzlich zulässig. Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die jeweiligen Aktivitäten auch auf den sanktionierten militärischen Teil der Organisation beziehen, werden kriminalpolizeiliche Ermittlungen gegen die Verantwortlichen geführt. Der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt hat in diesem Zusammenhang bislang keine Strafermittlungsverfahren eingeleitet.“
Solange ich die Spenden also nicht in Katjuscha-Raketen, Panzerabwehrminen und Sturmgewehre reinvestiere, brauche ich mir auch keine Gedanken über einen Besuch von Henkels Sicherheitsbehörden zu machen. Damit nicht genug: Selbst wenn ich Hisbollah-Chef Nasrallah auf ein Stück Pizza und eine Flasche Club Mate nach Berlin-Mitte einladen würde, gäbe es keine Probleme. Nasrallahs Hände mögen zwar in Schuld gewaschen sein, seinen Namen findet man auf der Sanktionsliste trotzdem nicht.
Was aber, wenn sich Nasrallah nach der Geldübergabe dazu entschließen sollte, meine Spenden lieber für Sturmgewehre als für Demokratie und Rechtsstaat auszugeben? Dem Berliner Polizeipräsidenten jedenfalls würde es nicht auffallen. „Wir können logischerweise nicht sicherstellen, dass Spenden für die Hisbollah ausschließlich beim politischen Flügel der Organisation landen“, sagte mir eine Sprecherin der Polizei.
Logischerweise sollte Innensenator Frank Henkel seinerseits genau von diesem Szenario ausgehen. Denn es liegt nun mal in der Natur von Terrororganisationen, dass sie sich allenfalls widerwillig polizeilichen Anordnungen beugen. Das zumindest dachte ich mir und fragte beim Innensenat nach, ob man die europäische Unterscheidung zwischen „politischem“ und „bewaffnetem“ Hisbollah-Flügel wirklich für eine gute Idee halte. Eine Antwort von Henkel kam nicht, stattdessen wurde ich auf Brüssel verwiesen: „Die Einstufung des militärischen Arms der Hisbollah als Terrororganisation ist eine politische Entscheidung der EU-Mitgliedsstaaten.“
Ein Anruf und zwei E-Mails später lag mir dann letztendlich auch eine Antwort von Federica Mogherini vor. Die Italienerin nennt sich seit zwei Jahren „Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik“ und ist als solche verantwortlich für die gemeinsame Außenpolitik der EU-Staaten. Ganz anders als die Länge ihres Jobtitels impliziert, fiel ihre Antwort auf meine Anfrage indes kurz und knapp au. „Die EU-Position hat sich nicht geändert“, schrieb sie.
Und somit wird alles beim Alten bleiben. In Aleppo, Homs und andernorts in Syrien wird die Hisbollah weiterhin dem Assad-Regime beim Völkermord assistieren, während man in Haifa, Istanbul oder Limassol auch in Zukunft jederzeit mit Anschlägen der Islamisten rechnen muss. In Berlin andererseits wird man sich auch künftig auf den Alexanderplatz stellen dürfen, um Spenden für diese Terrorbande zu sammeln.
Irre - oder nicht?