Flüchtlinge auf dem Mittelmeer: SPD will nun auch Bootsflüchtlinge nach Nordafrika bringen
Innenminister de Maizière hat sich schon für Flüchtlingslager außerhalb der EU ausgesprochen. SPD-Fraktionschef Oppermann unterstützt das - und bekommt Kritik.
Nach der Union plädiert nun auch die SPD dafür, im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge in Nordafrika unterzubringen. "Um die Schleuserbanden wirksamer zu bekämpfen, müssen wir ihnen die Geschäftsgrundlage entziehen, indem die im Mittelmeer geretteten Flüchtlinge wieder zurückgebracht und zunächst in Nordafrika versorgt und betreut werden", schreibt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung".
"Ein besserer Grenzschutz und ein paar Auffanglager reichen dafür aber nicht aus", schreibt Oppermann weiter. "Wir müssen die Transitländer darin unterstützen, Strukturen eines Aufnahmelandes zu entwickeln und ihnen helfen, eigene funktionsfähige Asylsysteme aufzubauen."
"Es ist nicht hinnehmbar, dass kriminelle Schleuser in einem mafiaähnlichen Geschäft darüber entscheiden, wer es bis nach Europa schaftt", schreibt Oppermann. "Eine Lösung liegt in engerer Zusammenarbeit nicht nur mit dem zerrissenen Libyen, sondern auch mit stabileren Transitländern in Nordafrika - etwa Marokko und Tunesien."
Oppermann unterstützt damit eine Initiative von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der ein Auffanglager in Tunesien errichten lassen will. Am Freitag hatten sich die Staats- und Regierungschefs der EU vorgenommen, auf solche Kapazitäten in Libyen hinzuarbeiten.
De Maizière will einem möglichen größeren Zuzug von Migranten mit Flüchtlingslagern außerhalb der EU begegnen. Bei großem Andrang müsse Europa dafür sorgen, "dass Flüchtlinge gar nicht erst nach Europa gebracht werden, sondern zurückgebracht werden in sichere Orte"“, hatte der Innenminister Ende Januar am Rande des EU-Innenministertreffens im maltesischen Valletta erklärt. Von diesen sicheren Orten außerhalb Europas könnten dann "die Schutzbedürftigen, und nur die Schutzbedürftigen" in die EU geholt werden.
Kritik für Oppermann
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Stephan Harbarth, begrüßte Oppermanns Vorstoß und forderte eine gemeinsame europäische Initiative, um durch Abkommen mit den nordafrikanischen Staaten die Migration über das Mittelmeer zu stoppen.
Wer jedoch glaube, illegale Migration mit legaler Migration bekämpfen zu können, sei "auf dem Holzweg", kritisierte Harbarth: "Die Wünsche, die sich weltweit auf unser Land richten, werden immer um ein Vielfaches größer sein als unsere Möglichkeiten." Oppermanns Vorschlag zur legalen Zuwanderung würde "insbesondere zu einem Mehr an unqualifizierter Zuwanderung führen". Luise Amtsberg, die Sprecherin der Grünen für Flüchtlingspolitik, kritisierte, der SPD-Vorschlag sei "inhuman und entbehrt jeder rechtlichen Grundlage. Auch Oppermann sollte mit der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Zurückweisungsverbot vertraut sein." Der SPD-Fraktionschef verliere sich in Ankündigungen über legale Fluchtwege nach Europa, seine Fraktion aber halte an der Beschränkung des Familiennachzugs fest und treibe damit mehr Menschen zur gefährlichen Flucht über das Mittelmeer.
Der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt, Aziz Bozkurt, nannte es im Berliner "Tagesspiegel" (Montagsausgabe) "zynisch und menschenverachtend", Aufnahmelager in instabilen nordafrikanischen Ländern zu errichten, "um Geflüchtete nach dort abzuschieben und ihnen ordentliche Asylverfahren zu verwehren". Oppermann gehe "völlig unnötig auf einen weiteren völkerrechtlich bedenklichen Vorschlag der Union zu".
"Im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge zurückzuschicken bedeutet noch mehr verzweifelte Versuche, noch gefährlichere Routen und damit zwangsläufig noch mehr Tote", erklärte Linken-Fraktionsvize Jan Korte. "So viel Skrupellosigkeit sind wir von der CDU/CSU schon gewohnt." Wenn der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz in der EU mehr sehe als "einen Verein kollektiv organisierter Verantwortungslosigkeit", dann müsse er "seinen Fraktionsvorsitzenden im Bundestag zurückpfeifen". "Oppermann ist nun auch in den Wettlauf mit Unionspolitikern und Rechtspopulisten eingetreten, wer der härteste Festungsbauer ist", erklärte der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt. Diese Pläne lösten nichts und seien "nur auf Kosten der Schutzbedürftigen unter Missachtung des Menschenrechts auf Asyl zu realisieren".
Oppermann will Entwicklungshilfe erhöhen
In dem Beitrag führt Oppermann fünf zentrale Punkte für eine "kohärente Flüchtlings- und Einwanderungspolitik" auf. "Wir müssen nicht nur die Außengrenzen Europas effektiv sichern", schreibt Oppermann. "Vor allem müssen wir die Fluchtursachen in den Heimatländern bekämpfen, daneben für eine geordnete Aufnahme sorgen, dann Flüchtlinge mit Bleiberecht schneller integrieren und Abgelehnte konsequenter zurückführen."
Der SPD-Politiker fordert daher, die Entwicklungshilfe Deutschlands von derzeit 0,5 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen.
"Wer illegale Migration bekämpfen will, muss legale Wege der Einreise schaffen - über verabredete Kontingente innerhalb eines geordneten Resettlement-Verfahrens", schreibt Oppermann. "Es bleibt das Ziel, Flüchtlinge, die hierfür in Betracht kommen, auf alle EU-Länder zu verteilen."
Der SPD-Fraktionschef spricht sich außerdem für einen europäischen Fonds aus, um die Kosten für die Integration von Flüchtlingen gerechter auf die EU-Mitgliedstaaten zu verteilen. "Deutschland, Frankreich oder Polen sollten sich um Flüchtlinge bewerben - und um zusätzliches Geld, das sie für Unterbringung, Verpflegung und Infrastruktur nutzen können", schreibt Oppermann. Er fordert zudem ein Einwanderungsgesetz, um den Arbeitskräftebedarf "bedarfsorientiert und flexibel nach einem transparenten Punktesystem" zu steuern. (mit AFP, dpa, KNA)