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Bundesinnenminister Thomas de Maiziere in Tirana: Syrien-Flüchtlinge bekommen nur noch subsidiären Schutz.
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Update

Flüchtlinge in Deutschland: SPD: Thomas de Maizière hat Chaos angerichtet

Der Innenminister wollte den Aufenthalt von Syrern auf ein Jahr begrenzen und den Familiennachzug verbieten - und wurde vom Kanzleramt zurückgepfiffen. Juso-Chefin Johanna Uekermann fordert de Maizières Rücktritt.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat mit einem nicht abgestimmten Vorstoß zum Umgang mit Flüchtlingen aus Syrien massive Irritationen in der Koalition ausgelöst. De Maizière hatte am Freitag angekündigt, dass Syrer künftig nur noch einen nachrangigen Schutzstatus erhalten sollten. Der so genannte subsidiäre Schutz gilt jeweils nur für ein Jahr, außerdem soll diese Personengruppe nach dem jüngsten Beschluss der Koalition vorläufig kein Recht auf Familiennachzug mehr bekommen. Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD wussten aber bei ihrem Treffen am Donnerstag offenbar nichts von den Absichten des Innenministers. Nach Intervention der SPD-Spitze und des Kanzleramts musste de Maizière seinen Plan am Abend auf Eis legen. Der Minister erklärte, durch die Entscheidung der Koalition habe sich "weiterer Gesprächsbedarf" ergeben. Es bleibe daher vorerst alles beim Alten.

Stegner: Dieses Chaos nützt nur den Rechtsparteien

Die SPD-Spitze kritisierte den Innenminister am Samstag scharf. „Die Vorstellung, man könne mal so eben Vereinbarungen mit der SPD zu Lasten syrischer Flüchtlingsfamilien nachschärfen, ist abenteuerlich“, schrieb der stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner am Samstag im Kurznachrichtendienst Twitter. Ärgerlich sei, dass "dieses Chaos, ob es nun von CSU, wie in den letzten Tagen, oder CDU wie gestern angerichtet wird, nur Rechtsparteien nützt".

Juso-Chefin Johanna Uekermann forderte de Maizières Rücktritt. Dem Tagesspiegel sagte Uekermann: "Bei der derzeitigen Situation in Syrien wäre die Begrenzung des Familiennachzugs mehr als zynisch. Wer Frauen und Kinder aus Kriegsgebieten derart im Stich lassen will, handelt unmenschlich. Innenminister Thomas de Maizière ist sich der großen Verantwortung seines Amtes offensichtlich nicht bewusst. Er ist nicht länger tragbar."

Kritik kam auch aus der Opposition. "Die Grünen-Abgeordnete Renate Künast sagte dem Tagesspiegel: "Deutschland steht vor einer außerordentlich großen Aufgabe. De Maizière hat als Innenminister die zentralste Aufgabe neben der Kanzlerin. Seit Monaten allerdings verstärkt sich der Eindruck, dass er keine Hilfe ist, sondern eine Art 'lose Kanone', deren desaströse Wirkung wir langsam fürchten."

De Maizière hatte nach eigenen Angaben bereits Anfang der Woche das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (BAMF) angewiesen, ab sofort syrischen Flüchtlingen nur noch den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Bisher werden Syrer als Bürgerkriegsflüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention eingestuft. Sie dürfen dann mindestens drei Jahre in Deutschland bleiben. Der Minister sagte aber am Freitag am Rande eines Albanien-Besuchs, auch andere Staaten gewährten nur einen begrenzten Schutzstatus. "Und das werden wir in Zukunft mit Syrern auch tun, indem wir ihnen sagen: Ihr bekommt Schutz, aber den sogenannten subsidiären Schutz – das heißt zeitlich begrenzt und ohne Familiennachzug", sagte er dem Deutschlandfunk.

"Der Innenminister wirkt zunehmend desorientiert"

Die Ankündigung löste in der Koalition große Irritation aus, weil sie den Koalitionsbeschluss vom Donnerstag in völlig neuem Licht erscheinen ließ. Darin hatten die Parteichefs vereinbart, dass der Familiennachzug für Menschen mit subsidiärem Schutz für zwei Jahre ausgesetzt wird. Diese Personengruppe umfasst derzeit nur wenige tausend Menschen. Nach de Maizières Plan hätte die Verschärfung aber künftig einen Großteil der neu ankommenden Flüchtlinge betroffen. Sowohl von CDU- als auch von SPD-Seite hieß es, von der Anweisung des Innenministers sei bei dem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nichts bekannt gewesen sei. Die SPD-Spitze und das offenbar ebenfalls überraschte Kanzleramt drängten de Maizière zur sofortigen Rücknahme. In SPD-Kreisen hieß es, eine solche Regelung sei mit der Sozialdemokratie nicht zu machen. Der Berliner SPD-Vorsitzende Jan Stöß sagte dem Tagesspiegel: "Der Vorgang ist beispiellos, der Innenminister wirkt zunehmend desorientiert."

Zugleich bemühten sich alle Seiten, den Vorgang als Panne einzustufen. Die Aussetzung des Familiennachzugs für zwei Jahre war allerdings auch schon Bestandteil des Papiers, mit dem Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer am vorigen Sonntag ihren unionsinternen Konflikt beigelegt hatten. De Maizière erließ seine Anweisung nach dieser Verständigung.

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