Energiewende: SPD-regierte Nordländer machen Druck auf Gabriel
Wirtschaftsminister trifft sich in Hamburg mit Regierungschefs, um Kompromisse für die Ökostromförderung auszuloten. Gefunden hat er sie noch nicht.
Am Morgen noch Weltpolitik, am Nachmittag wieder die Niederungen der deutschen Energiewende: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat am Freitag ein interessantes Kontrastprogramm erlebt. In Kiew war er den Spuren der Revolte in der Ukraine gefolgt. In Hamburg holte ihn dann der Streit um die Reform der Ökostromförderung wieder ein.
In der Hansestadt traf sich Gabriel mit den norddeutschen Regierungschefs, die darum kämpfen, dass die Windkraft an Land weiterhin stärker ausgebaut wird, als es in Gabriels EEG-Reform-Gesetz bisher vorgesehen ist. Konkrete Beschlüsse wurden nach dem rund einstündigen Arbeitstreffen nicht bekannt. Gabriel verließ das Treffen im Anschluss wortlos. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sagte: „Die norddeutschen Länder sind zuversichtlich, dass gemeinsam mit der Bundesregierung eine Lösung gefunden wird, damit eine Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen sichergestellt werden kann, die gleichzeitig umwelt- und klimaverträglich ist.“ Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte: „Wir haben bei diesem Gespräch eine Reihe von Punkten identifiziert, die wir noch miteinander klären müssen. Aber uns eint das gemeinsame Ziel, die
Energiewende zum Erfolg führen zu wollen.“ Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) sagte: „Es ist ja klar, dass aus Sicht der norddeutschen Länder vor allem der weitere Ausbau der Windkraft auf See und Land und der Netzausbau besonders wichtig sind.“
Sellering und die Regierungschefs von Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen wollen erreichen, dass zumindest das Ersetzen alter Windräder durch leistungsstärkere nicht unter das Limit fällt. Besonders Bremen und Niedersachsen stören sich außerdem an den geplanten Kürzungen der Fördersätze bei Offshore-Windparks auf See.
Nach dem Abschluss eines Treffens mit Amtskollegen aus Bund und Ländern in Kiel ebenfalls am Freitag sagte Schleswig-Holsteins SPD-Fraktionschef Ralf Stegner: „Der Onshore-Windstrom darf durch das Gesetz nicht abgewürgt werden.“ Korrekturen am Gesetzentwurf fordern auch die energiepolitischen Sprecher der SPD-Fraktionen von Bund und Ländern, die sich zeitgleich in Erfurt getroffen hatten. Zwar unterstützten sie grundsätzlich Gabriels Kurs. In einer gemeinsamen Erklärung forderten sie aber einen ausreichenden Bestands- und Vertrauensschutz für bestehenden Windkraft- oder Solaranlagen“. Auch müsse Windenergie an Land künftig rentabel betrieben werden können. Damit greifen sie die Interessen der süddeutschen Länder auf – mit Ausnahme von Bayern –, im Binnenland Windkraft weiter auszubauen.
Die Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Niedersachsen, Torsten Albig (SPD) und Stephan Weil, wehren sich seit Wochen gegen Gabriels Plan, den Ausbau der Windkraft an Land auf jährlich 2500 Megawatt Leistung zu begrenzen. Albig schimpfte, das sei „Planwirtschaft wie im Sozialismus“ und habe dort auch schon nicht funktioniert. Gabriel muss das Gesetz bis zur Sommerpause durch das Parlament bringen. Ob der Bundesrat beteiligt werden muss, darüber streiten die Juristen noch. Aber klar ist, wenn die Länder die EEG-Reform nicht mittragen, können sie sie zumindest zeitlich verschleppen. Das wäre für Gabriel eine Katastrophe, weil die Industrierabatte für die energieintensiven Unternehmen in Deutschland dadurch endgültig in Gefahr kämen. Im Dezember hatte die EU-Kommission wegen dieser Rabatte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil EU-Industriekommissar Joaquin Almunia diese „besondere Ausgleichsregelung“ für eine nicht zulässige Beihilfe hält. Gabriel hat zwar vor wenigen Tagen eine Gegenklage einreichen lassen. Er würde den Konflikt aber lieber auf dem Verhandlungsweg lösen. Denn wenn bis zum Sommer kein Gesetz vorliegt, das mit den neuen Beihilferichtlinien der EU in Einklang steht, können die Firmen für das Jahr 2015 keine neuen Befreiungen von der EEG-Umlage mehr beantragen. Für einige Unternehmen wäre das das Aus.
Weil Gabriel unter so großem Druck aus Brüssel steht, sehen die Länder – unabhängig von der Farbe der regierenden Parteien – durchaus Chancen, die ihnen wichtigen Details doch noch in die EEG-Reform hineinzuverhandeln. Den zunächst vorgesehenen Stichtag, bis zu dem Anlagen noch nach der alten Regelung vergütet werden, hat er im zweiten Referentenentwurf für das EEG schon wieder kassiert. mit dpa