zum Hauptinhalt
Der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs, Sprecher des rechten Seeheimer Kreises.
© picture alliance / dpa

Koalition im Bundestag: SPD-Rechter Johannes Kahrs für rot-rot-grüne Mehrheit bei Ehe für alle

Ausgerechnet der SPD-Politiker Johannes Kahrs, Sprecher des rechten "Seeheimer Kreises", hat eine Debatte um eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag für die Ehe für alle angestoßen.

Johannes Kahrs zählt für gewöhnlich nicht zu jenen in der SPD, denen Prinzipientreue über alles geht. Der Hamburger SPD-Abgeordnete ist seit Jahren Sprecher des im „Seeheimer Kreis“ zusammengeschlossenen rechten SPD-Flügels. Die „Seeheimer“ sehen sich traditionell als Bollwerk der Vernunft in einer Partei, die phasenweise lieber auf der Oppositionsbank von einer gerechten Welt träumt, als in Regierungsverantwortung die Lebensumstände der Menschen im Hier und Jetzt zu verbessern. Und doch hat „Seeheimer“-Sprecher Kahrs seine Partei jetzt dazu aufgefordert, ihre Regierungsbeteiligung aufs Spiel zu setzen – aus Prinzip gewissermaßen.

Denn Kahrs ist nicht nur „Seeheimer“, er ist auch Beauftragter der SPD für die Belange von Lesben und Schwulen. In dieser Funktion reagierte er am Wochenende empört auf das Nein der Berliner CDU-Basis zur Ehe für alle – und verlangte, die gleichgeschlechtliche Ehe im Bundestag mit den Stimmen von SPD, Linken und Grünen gegen den Willen der Union durchzusetzen. Das im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vereinbarte gemeinsame Stimmverhalten müsse in dieser Frage aufgehoben und die Abstimmung im Parlament freigegeben werden, erklärte der Sozialdemokrat – eine Kampfansage.

Linke und Grüne sind begeistert

Linkspartei und Grüne nahmen die Idee freudig auf – wohl wissend, dass die Spaltung der großen Koalition bei einer Bundestagsabstimmung das Ende des Regierungsbündnisses einläuten würde. „Wenn sich die SPD im Bund in dieser Frage von der Union befreien möchte, können wir jederzeit einen neuen Antrag in den Deutschen Bundestag einbringen“, lockte Grünen-Fraktionsvorsitzender Anton Hofreiter. „So können wir schnell einer vollen Gleichstellung auch im Deutschen Bundestag zur Mehrheit verhelfen.“

Der designierte Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, appellierte an die SPD, Kahrs’ Worten auch Taten folgen zu lassen. Dem Tagesspiegel sagte er: „Ich fordere die SPD auf, die Mehrheit, die es für eine Homoehe gibt, zu nutzen.“

Genau das aber werden die Sozialdemokraten nicht tun – wie ausgerechnet der Wortführer des linken Parteiflügels, SPD-Vize Ralf Stegner, klarstellte. Zwar rief Stegner die CDU dazu auf, ihre Haltung zu überdenken und „den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden“. Auch sei die Union „hinterwäldlerisch in dieser Frage und die Berliner CDU-Mitgliederbefragung typisch für die Vorgestrigkeit selbst in urbanen Zentren“, wie Stegner gegenüber dem Tagesspiegel kritisierte. Das alles aber lohne nicht eine getrennte Abstimmung im Bundestag und damit „den förmlichen Koalitionsbruch“. Irgendwann werde die Union schon „von alleine umfallen“ und ihren Widerstand gegen die Ehe für alle aufgeben, zeigte sich Stegner überzeugt.

Dass die Widerstände in CDU und CSU gegen die rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare schwinden, hoffen auch die Lesben und Schwulen in der Union (LSU). Ihr Vorsitzender Alexander Vogt sieht in dem Basisvotum des Berliner CDU-Landesverbandes keinen schweren Rückschlag für die Debatte in der Bundespartei. „Die Situation um die Frage der vollen Gleichstellung hat sich durch das Ergebnis des Mitgliederentscheids in Berlin auf Bundesebene nicht grundsätzlich geändert“, sagte er dem Tagesspiegel. Die LSU werde die Diskussion über die Adoption durch eingetragene Lebenspartner und die Öffnung der Ehe „nun erst recht verstärkt vorantreiben“.

Wie Sozialdemokrat Kahrs plädiert auch CDU-Mann Vogt für eine Aufhebung des Fraktionszwangs im Bundestag, wenn es um die Gleichstellung von Schwulen und Lesben geht. Eine offene Abstimmung halte er „grundsätzlich für richtig, da eine Mehrheit im Bundestag auch die gesellschaftliche Mehrheit widerspiegeln würde“. Der bessere Weg sei aber, wenn CDU und CSU insgesamt zu der Einsicht kämen, dass es für das Festhalten an der bisherigen Position weder eine gesellschaftliche Mehrheit noch vernünftige Argumente gebe.

Zur Startseite