Asylpaket II: SPD debattiert weiter über Asylkompromiss
Neue Details über die geplanten Gesetzesänderungen fachen den Konflikt in der Koalition an. Grünenpolitiker Beck kritisiert Einschränkung des Familiennachzuges für finanziell unabhängige Flüchtlinge.
Die Debatte um das Asylpaket II hält auch nach der Einigung zum Familiennachzug zu minderjährigen Flüchtlingen an. Denn im Laufe des Abstimmungsprozesses zu den geplanten Gesetzesänderungen wurden offenbar weitere Punkte verschärft, andere so verwässert, dass sie nun möglicherweise gegen EU-Richtlinien verstoßen. Der Ruf nach Nachbesserungen wird immer lauter.
So bestätigte das unionsgeführte Bundesinnenministerium jetzt in einer Antwort auf eine kurzfristige Anfrage des Grünen-Abgeordneten Volker Beck, dass die beschlossene zweijährige Wartefrist beim Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz selbst dann gelten soll, wenn ein Flüchtling arbeitet und den Lebensunterhalt seiner Familie allein bestreiten könnte. Aus dem Referentenentwurf für das Gesetzespaket vom 16. November, der schon im Streit um den Nachzug zu minderjährigen Flüchtlingen Irritationen ausgelöst hatte, war hingegen herauszulesen, dass finanziell unabhängige Flüchtlinge ursprünglich nicht von der Neuregelung nicht betroffen sein sollten.
„Auch diese Verschärfung hätte die SPD niemals mittragen dürfen“, sagte Beck dem Tagesspiegel. Solche Regelungen wirkten entmutigend und machten die Arbeitsmarktintegration für Flüchtlinge zweifellos weniger attraktiv. „Anders als die Bundesregierung meint, sind sie verfassungsrechtlich auch kaum tragbar, denn wenn der Lebensunterhalt gesichert ist, werden die Aufnahmesysteme gerade nicht übermäßig belastet“, sagt Beck. Das SPD-geführte Justizministerium steht indes zu der Veränderung. Anders als beim Streit um die minderjährigen Flüchtlinge sei sie von den Parteivorsitzenden der Koalition vereinbart worden, sagte der Sprecher von Justizminister Heiko Maas dem Tagesspiegel.
Kritiker in der SPD haben noch immer Bauchschmerzen
Doch in der SPD gibt es nach wie vor Widerstand. „Ich werde einer Einschränkung des Familiennachzugs zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern bei Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz nicht zustimmen“, sagt beispielsweise die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Ute Finckh-Krämer. „Und ich bin nicht die Einzige in der Fraktion, die Bauchschmerzen hat.“ Einzelne Aspekte könnten im parlamentarischen Verfahren sicher noch verändert werden, ergänzt sie. Ihre Kritik ist jedoch grundsätzlicher Natur: Die Einschränkung des Familiennachzugs zwischen Eltern und minderjährigen Kindern stehe generell im Widerspruch zur UN-Kinderrechtskonvention und dem im Grundgesetz verankerten Schutz der Familie. „Wenn wir internationale Konventionen schon für relativ wenige Betroffene außer Kraft setzen, wächst das Risiko, dass wir dies irgendwann auch für größere Gruppen tun werden“, begründet Finckh-Krämer.
Auch der SPD-Menschenrechtsexperte Frank Schwabe ist „nicht bereit, bestimmte menschenrechtliche Standards aufzugeben“, wie er dem Tagesspiegel sagte. Die Einigung der Koalition beim Nachzug von Angehörigen minderjähriger Flüchtlinge hat an seiner kritischen Haltung nichts verändert. Das Asylpaket II sei insgesamt „hoch problematisch“. „Wir treiben damit Frauen und Kinder in die Boote.“ Auch Schwabe glaubt, dass der Unmut in der SPD über den Koalitions-Kompromiss weiter groß ist. „Es wird darüber noch intensive Debatten geben.“
Beauftragter mahnt Mindeststandards beim Kinderschutz in Unterkünften an
Kritik übt auch der Missbrauchsbeauftragten der Regierung, Johannes-Wilhelm Rörig. Der Koalitionsbeschluss erfülle nicht einmal Mindeststandards des Kinderschutzes und verstoße gegen die EU-Aufnahmerichtlinie für Flüchtlinge. Das Erweiterte Führungszeugnis, das Mitarbeiter von Heimen vorlegen sollen, genüge nicht. „Es schützt nur vor bereits einschlägig verurteilten Tätern.“ Rörig kritisierte, dass die Mindeststandards bei den Verhandlungen gestrichen worden seien. In einem ersten Referentenentwurf waren sie noch enthalten. In einem Brief an die Vorsitzende des Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz, Renate Künast (Grüne), schreibt er: „Ich bitte Sie sehr darum, den Gesetzentwurf dringend nachzubessern.“ Künast erklärte dem Tagesspiegel, dass Rörigs „Forderungen absolut unterstützenswert sind. Alle Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche betreut werden und leben, brauchen effektive Strukturen zum Schutz vor Gewalt.“ Für Flüchtlingsunterkünfte gelte das Gleiche wie für Schulen und sonstige Einrichtungen.