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Angela Merkel
© dpa

Thesenpapier zur Eurokrise: SPD-Abgeordnete mit Grünen und Linken gegen Merkel

Es ist ein scharfer Angriff auf Merkels Krisenpolitik: Politiker aus SPD, Linken und Grünen nennen die europäische Einigung als Projekt gefährdet. Und beklagen den wachsenden Einfluss von Rechtsradikalen.

Bundestagsabgeordnete aus SPD, Linkspartei und Grünen haben in einem gemeinsamen Appell gefordert, aus der Euro-Krise völlig neue Schlussfolgerungen zu ziehen. "Die europäische Einigung als Projekt und die Eurozone als Währungsunion sind nach wie vor gefährdet", heißt es in einer umfangreichen Analyse, die von den beiden Berliner Bundestagsabgeordneten Cansel Kisiltepe (SPD) und Lisa Paus (Grüne) sowie vom stellvertretenden Linken-Bundesvorsitzenden Axel Troost verfasst wurde. Basis für ein anderes Verständnis für die Eurokrise "kann nur die Durchbrechung des Spardiktates" sein, erklären die drei Abgeordneten.

Die europäischen Konservativen, geführt von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, stünden "vor dem Scherbenhaufen" ihrer wirtschaftspolitischen Strategie, heißt es. Nicht nur in den Krisenländern, sondern auch in den wirtschaftlich prosperierenden Mitgliedsstaaten habe die Politik der vergangenen fünf Jahre dazu geführt, dass antieuropäische Kräfte im Aufwind seien. Mit Blick auf die Resultate der Europawahl fragen die Autoren - alle sind Volkswirte - auch, warum die europäische Linke aus Sozialdemokraten, Grünen und Linken trotz ihrer anhaltenden Kritik an der Austeritätspolitik und den angebotenen Gegenentwürfen keine eigene Mehrheit im europäischen Parlament erreichen konnte.

Verfasst wurde die 33-seitige Analyse für das Institut Solidarische Moderne - eine Denkfabrik, die vor Jahren unter anderem von der früheren hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti, dem Grünen-Europaabgeordneten Sven Giegold und der heutigen Linken-Chefin Katja Kipping gegründet wurde. Die gemeinsame Wortmeldung von Kisiltepe, Paus und Troost hat auch deshalb Bedeutung, weil zuletzt rot-rot-grüne Initiativen - unter anderem wegen der Debatten um die Ukraine - wenig Widerhall fanden.

Kritik am Diskurs über Armutszuwanderung aus Rumänien und Bulgarien

"Die Gefahr von Rechtsradikalen oder Rechtspopulisten geht nicht etwa von Wahlen aus", analysieren die drei Politiker. "Vielmehr bemisst sich die Wirkung der Rechten an ihrem Einfluss auf die politischen Debatten in den EU-Ländern." Jüngstes Beispiel sei der öffentliche Diskurs über die Armutszuwanderung aus Rumänien und Bulgarien. Ähnlich habe dies zuvor für die Diskussionen um die Wiedereinführung von Grenzkontrollen oder über angeblich faule fremde Nachbarn in den Schuldenstaaten am Mittelmeer gegolten.

"Europa muss eigene Einnahmen erzielen"

Europa stecke "nach wie vor in einer existenziellen Krise", meinen Kisiltepe, Troost und Paus. "Eine erneute Verschärfung ist jederzeit möglich, und die vielen Schwachstellen im Institutionengefüge der EU sind nicht beseitigt. Eine grundlegende Aufarbeitung der Krisenursachen ist kaum zustande gekommen, aber notwendig." Europa sei bedroht, weil die Finanzkrise in eine Wirtschaftskrise verwandelt worden sei, die viele Menschen vor allem im Süden arbeitslos gemacht habe. "Viele weitere müssen mit geringen Einkommen, Renten, Pensionen und anderen Unterstützungen leben. Nicht die Gläubiger, sondern gerade die Schwachen und Schwächsten einer Gesellschaft trifft die Wirtschaftskrise als Erste."

Die drei Politiker fordern, die EU müsse Möglichkeiten bekommen, eigene Einnahmen zu erzielen und sich zu verschulden, sonst "wird sie keine Akzente setzen können". Der Finanzumfang müsse generell größer werden, "damit wichtige Programme auskömmlich finanziert werden können und mehr sind als bloße Symbolpolitik". Zudem werde die europäische Ebene so unabhängiger von den Nationalstaaten. Zugleich gelte es, den Nationalismus aufzubrechen, der die verschiedenen Staaten und Volkswirtschaften getrennt voneinander betrachte. "In allen Ländern gibt es eine Schere zwischen Arm und Reich", heißt es weiter, zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, zwischen Kapital und Arbeit. Gelöst werden könnten die Probleme nur, "wenn wir den Mut zu europäischen Lösungen und zur Abgabe von Kompetenzen in den Nationalstaaten haben".

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