Bundestag: Spätabtreibung: Bedenkzeit für Frauen
Mehrheit für Auflagen bei Spätabtreibung: Am Ende war es doch eine satte Mehrheit. Nach jahrelangem Streit und hochemotionalen Debatten quer durch die Fraktionen votierten am Mittwoch abend 326 von 560 Abgeordneten in namentlicher Abstimmung für eine Neuregelung bei Abtreibungen nach der 12. Schwangerschaftswoche.
Schwangere, denen ein behindertes Kind diagnostiziert wurde, müssen demnach von ihrem Arzt eine ergebnisoffene, psychosoziale Beratung vermittelt bekommen. Außerdem muss künftig zwischen Diagnose und ärztlicher Abbrucherlaubnis mindestens eine dreitägige Bedenkfrist liegen. Medizinern, die gegen diese Vorgaben verstoßen, drohen Bußgelder von bis zu 5000 Euro. Die Frist gilt jedoch nicht, wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist. Und ob sie sich tatsächlich beraten lässt, kann jede Frau auch selbst entscheiden.
Ermöglicht worden war die Mehrheit durch die überraschende Einigung von Kerstin Griese (SPD), Johannes Singhammer (CSU) und Ina Lenke (FDP) auf einen gemeinsamen, fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf. 234 Abgeordnete stimmten dagegen. Die meisten davon favorisierten einen Gegenentwurf von Christel Humme (SPD) und Irmingard Schewe-Gerigk (Grüne), der lediglich den Rechtsanspruch Schwangerer auf frühe Beratung festschreiben wollte, jedoch keine feste Bedenkzeit und auch keine Bußgelder für Ärzte vorsah. Die Linkspartei wandte sich vehement gegen beide Entwürfe, ihre Rednerinnen Kirsten Tackmann und Ulla Jelpke werteten sie als Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht der Frauen.
Auch Schewe-Gerigk brachte einen scharfen Ton in die sonst ruhige Bundestagsdebatte. Es gebe „keine Notwendigkeit, Frauen zu drangsalieren und Ärzte zu kriminalisieren“, sagte sie. Die Redner der Gegenseite betonten hingegen, dass die Ärztekammer selber auf Klarstellung gedrängt habe und die Neuregelung voll und ganz unterstütze. Es sei die Pflicht des Gesetzgebers, Frauen in solcher Notsituation Beratung und genügend Zeit zu garantieren, sagte der Grünen-Abgeordnete und Mediziner Harald Terpe.
„Die Ärzte erhalten Pflichten, die Frauen Rechte“, betonte Griese. Ziel sei es, Schwangeren so beizustehen, dass sie „mit ihrer Entscheidung leben können“. Studien zufolge werde bislang nur jede fünfte Frau, die ein behindertes Kind diagnostiziert bekommen hat, ordentlich beraten. Ziel sei es,den „schleichenden Automatismus“ zu durchbrechen, dass eine solche Diagnose in einer Empfehlung zur Abtreibung mündet. Das Hilfsangebot als Zwangsberatung darzustellen, sei „einfach unredlich“, sagte Ilse Falk (CSU).
Auch SPD-Vize Andrea Nahles wandte sich gegen den Vorwurf, Frauen mit der Neuregelung zu bevormunden. Man dürfe das Allein-Entscheiden nicht mit Allein-Lassen verwechseln, mahnte sie. Und die frühere Familienministerin Renate Schmidt betonte in ihrer letzten Bundestagsrede, dass es keineswegs um eine Auseinandersetzung zwischen Feministinnen und Lebensschützern gehe, wie die Linke glauben machen wolle. Keiner stelle den Kompromiss zum Paragrafen 218 in irgendeiner Weise in Frage, sagte sie. „Die Schlachten der 80er und 90er Jahre müssen Gottseidank nicht mehr geschlagen werden.“
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